Hinterbliebene, Spender und Empfänger sind untrennbar miteinander verbunden

Blut-, Gewebe-, Stammzell- und Organspenden werden zur Versorgung schwerstkranker Patienten am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) immer benötigt.
Im Rahmen unserer Adventsaktion „Spenden retten Leben“ rücken wir heute die Organspende in den Fokus.
Wir erzählen die Geschichte von Marlene, die durch ihren Tod vier Menschen helfen konnte, wir erzählen die Geschichte ihrer Mutter Brigitte Herzog,
und wir erzählen die Geschichte von Peter Schlauderer, der nur noch am Leben ist, weil er drei Spenderorgane erhalten hat.

„Ich führe das Vermächtnis meiner Tochter weiter“, erzählt Brigitte Herzog. Sie strahlt, wenn sie über ihre Marlene spricht. „Sie war so ein lebensfroher Mensch.“ Brigitte Herzog spricht in der Vergangenheit von ihrer Tochter, denn ihre Marlene ist tot. 2010 wurde die Krankenschwester mit gerade einmal 18 Jahren durch einen Verkehrsunfall aus dem Leben gerissen. Als Brigitte Herzog von den Ärzten der Intensivstation darüber informiert wurde, dass der Hirntod bei Marlene eingetreten sei, setzte sie den Wunsch ihrer Tochter um, und gab ihre Organe zur Spende frei. „Nur einige Wochen davor hatte Marlene erklärt, dass wir, im Falle ihres Todes, ihre Organe spenden sollen. Das habe ich dann auch getan. Marlene wollte es so.“ So schwer die Entscheidung in dieser Situation auch war und so groß das Unverständnis aus dem direkten Umfeld, Brigitte Herzog respektierte Marlenes Wunsch. Dennoch plagten sie einige Zeit noch große Selbstzweifel: „Habe ich wirklich das Richtige getan?“ Heute ist sie froh, dass sich ihre Tochter so klar pro Organspende positioniert hat. „Sie hat mir eine Entscheidung abgenommen, die ich nie hätte treffen können. Herz, Leber, beide Nieren und Bauchspeicheldrüse wurden transplantiert. Damit konnte Marlene vier Menschen helfen, darunter einem 7-jährigem Kind.“

„Mir wurde ein neues Leben geschenkt, dreimal“

Peter Schlauderer blickt aus einem anderen Winkel auf die Geschichte von Marlene und ihrer Mutter. Er ist dreifach transplantiert. Niere, Bauchspeicheldrüse und Leber. Seine Geschichte begann bereits im Alter von zehn Jahren. „Bei mir wurde Diabetes festgestellt, ausgelöst durch Pfeiffersches Drüsenfieber. Leider war die Erkrankung durch das Spritzen von Insulin allein nicht beherrschbar. Erst als ich mit knapp 20 Jahren eine Insulinpumpe bekommen hatte, setzte eine Verbesserung ein“, fasst der heute 57-Jährige zusammen. Während sich sein Leben mit dem Diabetes vorübergehend normalisierte, traf Peter Schlauderer der nächste Schicksalsschlag: ihm wurde ein Leberschaden diagnostiziert. Kurz darauf verschlechterte sich infolge des Diabetes der Kreatininwert und damit die Funktionalität der Niere. Immer mehr Begleiterkrankungen belasteten ihn und auch seine Angehörigen. „Damals war ich Vater von vier kleinen Kindern, und wir hatten alle nur noch Angst. Mir ging es sehr schlecht, ich musste mich andauernd übergeben, konnte nichts bei mir behalten. Der einzige Ausweg war die Dialyse, genauer die Bauchfelldialyse. Sieben bis acht Stunden, jede Nacht.“ Fortan glich das Schlafzimmer einem Krankenzimmer. Aus seinem Körper hing an der linken Bauchhälfte der Dialyseschlauch, 30 cm lang, und rechts lag der Schlauch der Insulinpumpe.

Zeitgleich zum Beginn der Dialyse wurde Schlauderer auf die Eurotransplant-Liste für eine Nieren- und Bauchspeicheldrüsentransplantation gesetzt. Mittlerweile beinahe fünffacher Vater, erhielt er am 28. Oktober 1999 die erlösende Nachricht, dass zwei passende Organe für ihn verfügbar sind. Die Transplantation verlief sehr gut, die Organe funktionierten, und Schlauderer konnte sogar wieder als Schreiner im Fahrzeugmodellbau arbeiten. Doch damit war nur das erste Kapitel der Leidenszeit für Peter Schlauderer beendet. „Meine Leberwerte rauschten in den Keller. Zittern, Juckreiz und Vergiftungserscheinungen. Ich war ein Schatten meiner selbst.“ Eine Lebertransplantation war unumgänglich, und am 4. April 2007 konnte ich eine passende Leber bekommen. „Danach ging es mir allerdings leider richtig schlecht. Ich hatte Wahnvorstellungen, brach aufgrund einer Hirnentzündung immer wieder zusammen, die Motorik war kaputt“, blickt Schlauderer zurück. Erst eine Reha brachte ihn zurück ins Leben, ein wunderbares Leben.

Eine Entscheidung gegen die Organspende ist auch eine Entscheidung

Derzeit warten deutschlandweit circa 8.500 Menschen auf Herz, Leber, Lunge, Niere oder Pankreas. Davon sterben jährlich weit über 1.500 Menschen auf der aktiven Warteliste, weil kein passendes Organ gefunden werden kann. Dazu kommt noch einmal etwa die gleiche Anzahl an Menschen, weil sie während des Wartens für eine Transplantation zu krank und von der Warteliste wieder abgemeldet werden.

Am Universitären Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Regensburg sind es aktuell mehr als 500 Patienten, die auf eine Transplantation von Herz, Leber und Niere warten. Demgegenüber stehen weniger als 100 durchgeführte Transplantationen pro Jahr. „Diese Diskrepanz ist furchtbar und Ausdruck einer inakzeptablen medizinischen Versorgung von Patienten, denen man mit einer Organtransplantation gut helfen könnte. Es bedeutet, dass viele Menschen sterben, die gar keine Chance haben, ein passendes Spenderorgan zu bekommen, weil diese schlichtweg nicht verfügbar sind“, erklärt Professor Dr. Bernhard Banas, Leiter des Universitären Transplantationszentrums des UKR. Auch er appelliert an die Menschlichkeit. „Niemand soll gezwungen werden, als Organspender zur Verfügung zu stehen. Aber eine bewusste Entscheidung, ob ja oder nein, sollte man von jedem Erwachsenen einfordern dürfen. Eine Entscheidung gegen eine Organspende ist auch eine Entscheidung. Diese nimmt den Angehörigen im schlimmsten Fall das ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ ab.“ Daher sollte man am besten seine Einstellung auch nahestehenden Personen rechtzeitig mitteilen. Die Politik sieht Professor Banas längst in der Bringschuld. „Beinahe alle Länder um uns herum setzen auf die Widerspruchslösung. Das heißt, jeder Mensch ist potenzieller Organspender, außer er widerspricht dem explizit.“ Dass man so besser verfährt ist unstrittig: In 20 Ländern Europas können mehr Transplantationen pro Einwohner durchgeführt werden als in Deutschland, zum Teil doppelt oder sogar dreimal so viele. Für Betroffene mit terminalem Organversagen bedeutet dies eine signifikant bessere Überlebenschance.

Regelmäßige Patientenbesuche am UKR

Auch wenn die Trauer über den Verlust ihrer geliebten Tochter nie weichen wird, so setzt sich Brigitte Herzog heute gezielt für die Organspende ein. Zusammen mit Mitgliedern des Vereins Lebertransplantierte Deutschland e.V. besucht sie Patienten in Kliniken, die auf ein passendes Spenderorgan warten. Dabei kommt sie auch ans Universitätsklinikum Regensburg, den Ort wo Marlene als Krankenschwester gearbeitet hat. Denn für sie sind Hinterbliebene, Spender und Empfänger untrennbar miteinander verbunden, bilden eine Schicksalsgemeinschaft.

Auch Peter Schlauderer besucht regelmäßig zusammen mit Brigitte Herzog Patienten am Universitätsklinikum Regensburg, spricht ihnen Mut zu. „Ich hatte das große Glück, dass ich drei Organe und damit ein neues Leben geschenkt bekommen habe. Ich bin den Spendern und deren Hinterbliebenen so unendlich dankbar. Mit dieser Dankbarkeit schlafe ich abends ein und wache ich jeden Morgen auf.“ Brigitte Herzog ergänzt: „Es ist ein Privileg, anderen Menschen helfen zu dürfen, wenn einem selbst nicht mehr geholfen werden kann. Dafür müssen Sie jedoch mit ihren Angehörigen sprechen. Sprechen Sie genau an, was nach Ihrem Tod mit ihren Organen passieren soll!“ So führt sie das Vermächtnis ihrer Tochter weiter.

Quelle: Der Artikel ist am 08.12.2023 auf der Homepage des Universitätsklinikums Regensburg erschienen. Redakteur Matthias Dettenhofer
https://www.ukr.de/newsroom/detail/hinterbliebene-spender-und-empfaenger-sind-untrennbar-miteinander-verbunden
Fotos: Brigitte Herzog und Natalie Aschenbrenner

Marlene Herzog war 18 Jahre alt, als sie an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstarb. Als Organspenderin konnte sie vier Menschen helfen. © Brigitte Herzog

Marlene Herzog war 18 Jahre alt, als sie an den Folgen eines Verkehrsunfalls verstarb. Als Organspenderin konnte sie vier Menschen helfen. © Brigitte Herzog

Brigitte Herzog und Peter Schlauderer besuchen regelmäßig Patienten am UKR, die auf ein Spenderorgan warten und sprechen ihnen Mut zu. © UKR/Natalie Aschenbrenner

Brigitte Herzog und Peter Schlauderer besuchen regelmäßig Patienten am UKR, die auf ein Spenderorgan warten und sprechen ihnen Mut zu. © UKR/Natalie Aschenbrenner

Kontakt

Lebertransplantierte Deutschland e.V.
Montag - Donnerstag 10:00 bis 15:00 Uhr 

Telefon: 02302/1798991
Fax: 02302/1798992

E-Mail: geschaeftsstelle(at)lebertransplantation.de

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