Etwa 58% der Patientinnen mit chronischen Lebererkrankungen im gebärfähigen Alter haben keine Regelblutung mehr, doch schon wenige Monate nach einer erfolgreichen Lebertransplantation normalisieren sich bei fast allen Frauen die Geschlechtsfunktionen wieder. Bei langfristiger Lebensperspektive und guter Leberfunktion stellen junge Frauen in zunehmendem Maße die Frage nach der Möglichkeit einer Schwangerschaft nach Lebertransplantation.
In diesem Zusammenhang muss diskutiert werden, welche Einflüsse die notwendigen immunsuppressiven Medikamente auf die Entwicklung des Kindes und auf die Schwangere selbst haben. Während von Azathioprin schädigende Wirkungen auf das Erbgut bekannt sind und es deshalb bei Kinderwunsch abgesetzt werden sollte, scheinen kindliche Anomalien und Aborte bei Patientinnen, die mit Cyclosporin A oder Tacrolimus behandelt werden, nicht häufiger aufzutreten als in der Normalbevölkerung.
Dennoch ist eine Schwangerschaft nach Lebertransplantation immer als eine Risikoschwangerschaft anzusehen.
Aus diesem Grunde sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Cyclosporin A und Tacrolimus können zu erhöhten Blutdruckwerten, zu Nierenfunktionsstörungen, Frühgeburten und kindlicher Wachstumsretardierung führen. Mögliche Folgen einer zusätzlichen Steroidmedikation sind Diabetes mellitus, Hypertonus und vorzeitiger Blasensprung.
Darüber hinaus führt die Schwangerschaft zu einer erheblichen Stoffwechselbelastung, eine Funktionsverschlechterung des Lebertransplantates kann - wenn auch nur in seltenen Fällen - die Folge sein.
Trotz der möglichen Nebenwirkungen ist eine gut eingestellte Immunsuppression sehr wichtig, um akute oder chronische Abstoßungsreaktionen zu vermeiden.
Nach Bestätigung einer Schwangerschaft ist eine engmaschige medizinische Überwachung der werdenden Mutter von größter Wichtigkeit.
Initial erfolgt eine einmalige serologisch- infektiologische Untersuchung. Klinisch- chemische Untersuchungen wie Leberenzyme, Nierenwerte, Blutbild, Gerinnung und Urinstatus sollten in den ersten 6 Schwangerschaftsmonaten 14- tägig und danach wöchentlich erfolgen. Bei jeder Kontrolle muss selbstverständlich der Spiegel des primären Immusuppressivums gemessen werden, da es nicht selten zu einem höheren Medikamentenbedarf kommt. Wenn die Leberenzyme auf das Doppelte der Norm ansteigen, empfiehlt sich eine Leberbiopsie. Gynäkologischerseits sollten sonographische Kontrollen in 1- 3 monatlichen Abständen erfolgen.
Nach Möglichkeit wird eine vaginale Entbindung angestrebt. Die Neugeborenen dürfen wegen der hohen Konzentration von Cyclosporin A oder Tacrolimus in der Muttermilch nicht gestillt werden.
Seit 1989 wurden von 13 unserer Patientinnen 15 gesunde Kinder geboren. Bei 7 weiteren Frauen musste ein Kaiserschnitt wegen Hypertonus (2 Fälle), Sauerstoffmangel des Kindes (4 Fälle)und Beckenendlage (1 Fall) durchgeführt werden. Alle Kinder haben sich normal entwickelt, das Älteste ist inzwischen 7 Jahre alt.
Eine Patientin entwickelte am Ende ihrer Schwangerschaft eine Plazentainsuffizienz und verlor ihr Kind.
Bei einer derzeitig noch schwangeren Patientin wurde im 5. Schwangerschaftsmonat durch eine Leberbiopsie bei steigenden Leberwerten und deutlichem Funktionsverlust des Transplantates eine chronische Abstoßung festgestellt, die mittlerweile durch Umstellung der Immunsuppression behoben werden konnte.
Die häufigste mütterliche Komplikation ist der Schwangerschaftshochdruck (bei ca. 40%unserer Patientinnen im Vergleich zu 3- 9% in der Normalbevölkerung), der gelegentlich von Nierenfunktionsstörungen begleitet ist. Eine Verschlechterung der Leberfunktion und Abstoßungsreaktionen sind eher selten, eine chronische Rejektion kann jedoch zum Transplantatverlust führen. Wachstumsretardierung und Frühgeburten scheinen die häufigsten kindlichen Komplikationen zu sein, liegen aber mit 10-20%nicht deutlich höher als in der Normalbevölkerung. Die Kaiserschnittrate liegt deutlich höher als bei nicht transplantierten Frauen (33-70% gegen 15%).
Die bisherigen Erfahrungen lassen den Schluss zu, dass eine Schwangerschaft nach Lebertransplantation mit einem kalkulierbaren Risiko möglich ist und einen außergewöhnlichen Nachweis der wiedergewonnenen Lebensqualität und -perspektive darstellt.
Dr. med. Ruth Neuhaus
Charité Berlin
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
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