Impfungen sind essenzieller Bestandteil unserer Gesundheitsfürsorge. Dies gilt auch und umso mehr für Patienten unter Immunsuppression, also auch für Patienten, bei denen eine Organtransplantation durchgeführt wurde. Impfungen gehören generell zu den wirksamsten Maßnahmen zur Gesundheitserhaltung.
Die allgemeinen Impfmaßnahmen beruhen auf den Empfehlungen der STIKO, der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut. Hieraus ergibt sich ebenfalls der sogenannte Impfkalender, der die empfohlenen Impfungen abhängig vom Lebensalter umfasst. Es gibt in Deutschland keine Impfpflicht. Daher ist die Aufrechterhaltung eines ausreichenden und angemessenen Impfschutzes eine wichtige Aufgabe des betreuenden Arztes.
Die Impfleistung des Arztes umfasst nicht nur die eigentliche Verabreichung des Impfstoffes, sondern auch z.B. die ausreichende Aufklärung und Dokumentation. Da es sich bei den vielen Impfungen um Empfehlungen der obersten Gesundheitsbehörden der Länder handelt, sind mögliche Impfschäden bei diesen Impfungen gemäß § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes durch die Bundesländer abgedeckt.
Bei Patienten mit Lebertransplantation ist insbesondere eine Unterscheidung in die Zeit vor und nach erfolgter Transplantation notwendig, da sich die empfohlenen Impfungen unterscheiden.
Eine wichtige Einteilung der Impfstoffe erfolgt in die beiden Kategorien „Totimpfungen“ und „Lebendimpfungen“. Bei der Totimpfung werden nur abgetötete Erreger oder Teile des Erregers zur Impfung verwendet, d.h. der Erreger selbst kann sich nicht mehr vermehren und auch keine Erkrankung hervorrufen. Hiervon abzugrenzen sind die „Lebendimpfungen“, bei denen die Impfung mit einem sogenannten „attenuierten“, also abgeschwächten, aber noch eingeschränkt vermehrungsfähigen Erreger erfolgt.
Bei einer gesunden Person ist das Immunsystem in der Lage, diesen Erreger in Schach zu halten, sodass keine Erkrankung entsteht und dennoch gleichzeitig schützende Antikörper gebildet werden. Bei einem geschwächten Immunsystem besteht jedoch die Gefahr, dass sich der Erreger unkontrolliert vermehren und die ursprüngliche Erkrankung in Teilen oder sogar in seinem klinischen Vollbild wieder hervorrufen kann.
Diese Gefahr ist zwar nicht sehr groß; dennoch sollte die Impfung mit einem Lebendimpfstoff nach Lebertransplantation und einer dauerhaften Immunsuppression in der Regel nicht mehr durchgeführt werden. In Deutschland verwendete Lebendimpfungen sind u.a. die Impfung gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken/ Gürtelrose. Ein weiterer wichtiger Lebendimpfstoff, der vor allem in der Reisemedizin eine Rolle spielt, ist die Gelbfieber-Impfung, die für den Aufenthalt in bestimmten Regionen in Afrika und Südamerika notwendig ist.
Generell sollte schon vor einer möglichen Lebertransplantation der Impfstatus des Patienten überprüft und ausstehende Impfungen, insbesondere fehlende Lebendimpfungen, durchgeführtwerden. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass nach erfolgter Lebendimpfung ein Zeitabstand von mindestens drei Monaten bis zur Transplantation eingehalten werden sollte.
Weiterhin sollte auch der Impfstatus der Familienmitglieder des Patienten kontrolliert und aufgefrischt werden. Dies führt zu der sogenannten Herdenimmunität, die den immunsupprimierten Patienten nach Lebertransplantation dadurch schützt, dass sein Umfeld geimpft ist und damit nicht als Krankheitsüberträger für den jeweiligen Keim dienen kann.
Folgende Impfungen werden in der Regel vor der Transplantation durchgeführt bzw. aufgefrischt:
Man kann bei einigen Impfungen auch den Impferfolg mittels einer Blutuntersuchung kontrollieren. Dies sollte man insbesondere bei der Hepatitis-B-Impfung berücksichtigen. Hier wird der sogenannte anti-Hbs-Titer bestimmt, welcher eine Aussage über das Ansprechen auf die Impfung und die Qualität des Impfschutzes erlaubt.
Grundsätzlich ist das Ansprechen auf eine Impfung bei Patienten nach Lebertransplantation durch das Ausmaß an immunsuppressiver Therapie bestimmt, also welche und wie viele Medikamente in welcher Dosis eingenommen werden. Zusätzlich zu einigen Fallserien bei Patienten nach Lebertransplantation gibt es mehrere größere Studien bei Patienten, die aus anderen Gründen (z.B. Autoimmunerkrankungen) eine medikamentöse Immunsuppression erhalten.
In der Literatur und auch in den Empfehlungen der Fachgesellschaft trifft man immer auf die Dosis von 20 mg Prednison pro Tag. Oberhalb dieser Dosis sind Lebendimpfstoffe klar kontraindiziert, dürfen also auf gar keinen Fall gegeben werden. Weiterhin ist auch ein nur geringes Ansprechen auf eine Impfung zu erwarten.
Wie sich neuere Immunsuppressiva (z.B. Ciclosporin, Tacrolimus, Mycophenolsäure) hier verhalten, ist nicht klar. Allerdings wird angenommen, dass der immunsuppressive Effekt so stark ist, dass Lebendimpfungen nach Transplantation mit einer Gefährdung einhergehen könnten und deshalb vermieden werden sollten.
Da sich die Stärke der Immunsuppression nach der Transplantation im Zeitverlauf verändert, erwartet man die beste Impfantwort beginnend ab sechs Monaten bis ein Jahr nach Organtransplantation. Während in der frühen Phase oft eine Dreifach-Immunsuppression mit hohen Ziel-Spiegeln notwendig ist, kann im weiteren Verlauf in der Regel auf eine Mono- oder Duotherapie mit deutlich niedrigeren Ziel-Spiegeln umgestellt werden. Ab dieser Phase ist ein besseres Impfansprechen anzunehmen.
Dennoch ist eine Totimpfung zu einem früheren Zeitpunkt nicht kontraindiziert, sondern kann durchgeführt werden (z.B. Grippeschutzimpfung), jedoch mit dem „Risiko“ einer schwächeren oder gar ausbleibenden Impfantwort. Hier kann eine Auffrisch-Impfung zu einem späteren Zeitpunkt die Schutzwirkung verbessern. In Sonderfällen, z.B. bei Patienten, bei denen im Rahmen einer Operation die Milz entfernt werden musste (Splenektomie), ist eine präoder frühe postoperative Impfung gegen Bakterien, vor allem gegen Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae sinnvoll.
Auch wenn die Wartezeit zur Lebertransplantation zur Auffrischung oder Erstimpfung genutzt werden sollte, ergeben sich auch nach der Transplantation Gründe, Impfungen durchzuführen. „Lebendimpfstoffe“.
Impfungen mit „Totimpfstoffen“ können (und sollten!) nach der Transplantation erfolgen, falls dies nicht bereits im Rahmen zur Vorbereitung auf die Transplantation durchgeführt wurde. Impfungen z.B. gegen Tetanus, Diphtherie, Influenza, Pneumokokken, Hepatitis A und Hepatitis B sind weiterhin möglich. Auch die Impfung gegen Meningokokken (Bakterien, die schwere Erkrankungen v.a. Hirnhautentzündung auslösen kann) und Haemophilus influenzae sind Teil der Impfempfehlungen. Ebenfalls ist die jährliche Grippeschutzimpfung auch bei Patienten nach Lebertransplantation empfohlen. Der Zeitpunkt der Impfung sollte mit dem Transplantationszentrum abgestimmt werden. Die publizierten Daten ergeben bisher keinen Hinweis für ein erhöhtes Abstoßungsrisiko nach Impfung bei Patienten nach Organtransplantation.
Weiterhin unterscheidet man noch häufig zwischen Basisimpfungen und Indikationsimpfungen. Die Basisimpfungen (z.B. Tetanus, Diphterie) sind diejenigen Impfungen, die laut Empfehlungen jeder Bürger erhalten sollte, während die Indikationsimpfungen insbesondere für Risikogruppen notwendig sind. Hierzu zählen z.B. Impfungen gegen Hepatitis A und Pneumokokken. Als dritte Gruppe sind noch die Reiseimpfungen zu erwähnen, die für den Aufenthalt in bestimmten Regionen empfohlen oder notwendig sind (z.B. Gelbfieber, Typhus).
Bei den Reiseimpfungen ist vor allem eine gute Abwägung zwischen verfügbaren Daten, möglichem Schutz und Notwendigkeit der Reise zu überprüfen. Können die notwendigen Impfungen aufgrund der Immunsuppression nicht durchgeführt werden (z.B. Gelbfieber), sollte im Zweifelsfall von der Reise abgeraten werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der damit einhergeht und bei Fernreisen gründlich bedacht werden sollte, ist zudem die medizinische Versorgung vor Ort und das generell erhöhte Erkrankungsrisiko immunsupprimierter Menschen, z.B. für Lebensmittelinfektion, Reisedurchfall oder Wundinfektionen. Auch mögliche Medikamenten-Interaktionen, z.B. bei medikamentöser Malaria-Prophylaxe, sollten im Vorfeld geklärt werden. Für immunsupprimierte Patienten ist deshalb die Beratung in einem reisemedizinischen Zentrum besonders zu empfehlen.
Priv.-Doz. Dr. med. Daniel Gotthardt
Leiter der Sektion LebertransplantationKlinik für Gastroenterologie, Infektionskrankheiten und Vergiftungen
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Dr. med. Isabella Eckerle
Institut für Virologie
Universitätsklinikum Bonn
(im Internet sind diese kostenfrei verfügbar; Heidelberger Manual aktuell in der Überarbeitung):
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
Montag - Freitag 9:00 bis 13:00 Uhr
Telefon: 02302/1798991
Fax: 02302/1798992
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