Morbus Wilson

Der Morbus Wilson ist eine seltene Erkrankung des Kupferstoffwechsels, welche autosomal rezessiv vererbt wird. Der auf Chromosom 13 lokalisierte Gendefekt wird in einer Häufigkeit von 1:180 beobachtet. Nur Menschen mit der homozygoten Erbanlage* erkranken. Hier liegt die Erkrankungsrate bei 1:30 000 Geburten. Unbehandelt führt die Erkrankung zum Tode.

Daher ist es sehr wichtig, die Erkrankung früh zu erkennen und rasch und ausreichend zu behandeln. Unklare Lebererkrankungen oder neurologische Erscheinungen bei jungen Menschen sollten immer an eine solche Erkrankung denken lassen.

Ursache der Kupferanreicherung

Die Kupferablagerungen betreffen vorrangig das Gehirn und/oder die Leber aber auch andere Organe wie die Knochen, die Niere und sehr selten das Herz.

Der größte Teil des aus der Nahrung aufgenommen Kupfers wird über die Leber und den Darm, ein kleinerer Teil über die Niere ausgeschieden.

Die Störung der Kupferausscheidung besteht in einer mangelnden Ausscheidung über die Galle in den Darm mit folgender Anreicherung des Kupfers in der Leber und anderen Organen. Zusätzlich besteht eine Verminderung des Cöruloplasmins, dem Transporteiweiß für Kupfer im Serum, sowie eine Störung des Kupfereinbaus in dieses Protein.

Krankheitserscheinungen

In der Regel erkranken junge Patienten zwischen dem 6. und 25. Lebensjahr. Oft sind neurologische Symptome wie Bewegungsstörungen, Schreib- oder Sprechstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten die ersten Erscheinungsbilder der Erkrankung. Die Leberschädigung setzt unbemerkt meist schon vorher ein. Diese ist vielgestaltig und kann das Bild einer Lebervergrößerung oder Leberentzündung (Hepatitis) verursachen und bis zur Leberzirrhose fortschreiten. Selten kommt es zu einer fulminanten Hepatitis mit Hämolyse (Auflösung der roten Blutkörperchen) und massiver Kupferausscheidung im Urin. Diese Patienten sterben unbehandelt innerhalb kurzer Zeit und können nur durch eine rasche Lebertransplantation gerettet werden.

Die Zeichen der Leberschädigung treten in der Regel früher auf als die neurologischen Störungen, welche meist, mit großer Spannweite, zwischen dem 15. und 30 Lebensjahr auffallen. Sowohl die Leberschädigung als auch die neurologischen Erscheinungsbilder können im Vordergrund stehen. Bei der Augenuntersuchung besteht oft ein sogenannter Kayser- Fleischer- Ring durch gelbliche ringförmige Kupfereinlagerungen in die Hornhaut.

Diagnose

Die alleinige Messung des Kupfertransporters Cöruloplasmin im Blut genügt nicht für die Diagnosestellung, da ein Teil der Patienten normale Spiegel aufweist. Die Diagnose wird gestützt durch eine erhöhte Kupferaussscheidung im 24- Stunden- Sammelurin, den Penicillamin- Test und durch die sicherste Methode, die Bestimmung des Kupfergehaltes im Lebergewebe durch eine Leberbiopsie. Der Kayser- Fleischer- Ring des Auges ist für die Erkrankung sehr charakteristisch und Zeichen einer bereits bestehenden Hirnschädigung. Nach Entdeckung des für die Erkrankung verantwortlichen Gens wird die Entwicklung von genetischen Tests vorangetrieben.
Bei allen Geschwistern und Kindern von Wilson- Patienten muss diese Erkrankung ebenfalls ausgeschlossen werden.

Therapie

Zwei Formen der medikamentösen Behandlung bieten sich an. Durch Kupfer bindende Substanzen wie Penicillamin und Trientin wird die Kupferausscheidung über die Niere erhöht. Durch die Gabe von Zinkpräparaten kann die Kupferaufnahme aus dem Darm reduziert werden. Als Standardtherapie gilt weiterhin die Gabe von Penicillamin, welches schon seit 1956 eingesetzt wird. Erst bei Auftreten von nicht tolerablen Nebenwirkungen können alternative Präparate erwogen werden.

Das Medikament kann eine Vielzahl von Nebenwirkungen, wie z. B. Schädigung der Niere oder Beeinträchtigung der Blutbildung verursachen, wird in der Regel jedoch vertragen. Die Therapie bedarf einer entsprechend fundierten Betreuung. Sie muss lebenslang fortgeführt werden, da bei Aussetzen eine erneute Kupferansammlung im Körper resultiert. Unter der Therapie kommt es oft zu einer dramatischen Besserung der neurologischen Störungen. Die Leberschädigung wird ebenfalls aufgehalten.

Unterstützt wird die Therapie durch eine möglichst kupferarme Diät unter Meidung besonders kupferhaltiger Nahrungsmittel. Zusätzlich müssen Vitamin B6 und kupferfreie Spurenelemente gegeben werden.

Der Erfolg der Behandlung lässt sich an der erhöhten Kupferausscheidung im Urin messen. Diese Methode dient auch der Verlaufskontrolle bezüglich einer ausreichenden Medikamentendosierung und regelmäßigen Medikamenteneinnahme.
Anfänglich müssen die Patienten in Abständen von 4-6 Wochen engmaschig hinsichtlich Nebenwirkungen, Therapieeffekt und Leber- sowie Nierenfunktion überwacht werden. Die Untersuchungsphasen können später auf 2-6 Monate reduziert werden.

Unbehandelte Patientinnen haben aufgrund der hohen Kupferkonzentration im Uterus ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten. Behandelte Frauen können eine Schwangerschaft oft problemlos austragen. Die Behandlung wird unter der Schwangerschaft mit leicht reduzierter Dosis fortgeführt. Die Missbildungsrate ist dabei offensichtlich nicht erhöht. Wir selbst haben drei Frauen durch eine komplikationslose Schwangerschaft begleitet. In der Regel haben wir vorher die Ehemänner bezüglich einer Anlage für die Erkrankung mittels eines Radiokupfertests untersuchen lassen, damit die Erkrankung nicht weiter vererbt wird.

Durch eine Lebertransplantation wird der Gendefekt korrigiert, da die neue Leber ein funktionstüchtiges Gen besitzt. Diese Therapie kommt vor allem bei Patienten mit akutem Leberversagen oder mit fortgeschrittener Lebererkrankung ohne dominierende neurologische Ausfälle in Betracht. Vorwiegend neurologische Störungen sind kein Grund für eine Transplantation.

Resümee

Der Morbus Wilson ist dank des zur Verfügung stehenden Penicillamins eine sehr gut behandelbare Erkrankung. Daher ist es sehr wichtig, die Diagnose möglichst früh zu stellen und rasch eine adäquate Behandlung einzuleiten. Auch die Familienuntersuchung ist zur Erkennung weiterer betroffener Familienmitglieder von großer Bedeutung. Wilson- Patienten müssen stets motiviert werden, ihre Medikamente auch bei Fehlen von Krankheitserscheinungen einzunehmen, da ein Therapieabbruch fatale Folgen hat.


Dr. med. A. Schüler
Arzt für Innere Medizin - Gastroenterologie
Lebersprechstunde
Wiss. Ass. bei Prof. Dr. Manns
Medizinische Hochschule Hannover

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