Bei der Autoimmunhepatitis handelt es sich um eine früher häufig, jetzt seltener gesehene chronische Autoimmunkrankheit der Leber. Zahlen über die Neuerkrankungen sind unsicher, die Häufigkeit (Prävalenz) pro 100.000 Einwohner beträgt etwa 0,2-1,0. (Tab. 1). Etwa 10-20 % aller chronisch Leberkranken leiden an einer Autoimmunhepatitis. Die Krankheit befällt Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren dreimal häufiger als Männer.
Als Ursache der Autoimmunhepatitis werden Umwelttoxine, bakterielle Antigene (z. B. Salmonellen- Antigene) und Viren diskutiert, wie z. B. die Viren der Hepatitis A, B, C und D, oder auch Masern und Herpesviren, die zwar als Induktoren der Krankheit in Frage kommen, in der Phase der Autoimmunhepatitis aber nicht nachweisbar sind. Möglicherweise handelt es sich auch um heute noch unbekannte hepatotrope Viren. Bei der Autoimmunhepatitis hat die Leber ihre Immuntoleranz verloren. Laborchemisch zeichnet sich die Krankheit durch Transaminasenerhöhung und durch einen Anstieg der Gammaglobuline, besonders von Immunglobulin (IgG) aus.
Charakteristisch ist aber das Vorkommen von Antikörpern, wie Antikörper gegen Zellkerne (ANA), glatte Muskelfasern (SMA), Mikrosomen von Leber und Nierenzellen (LKM) oder ein lösliches Leberprotein (SLA). Diese Antikörper finden sich gelegentlich auch bei anderen Krankheiten. Sie sind nicht für die Pathogenese der chronischen Autoimmunhepatitis verantwortlich, stellen aber für die Diagnose führende serologische Marker der Krankheit dar. Aufgrund verschiedener Antikörperspektren unterscheidet man heute drei Hepatitistypen (Tab. 2), zwischen denen es allerdings Überlappungen gibt, die Behandlung der drei Typen unterscheidet sich nicht.
Daten zur Autoimmunhepatitis | |
Prävalenz | unsicher |
Inzidenz | 0,2-1,0/100.000 Einwohner pro Jahr |
Frauen zu Männer | 3,6:1 |
Kinder | erkranken ebenfalls |
Autoantikörper | ANA, SMA, SLA u. v. a. |
Histologie | Infiltrate von Immunzellen, Piecemeal- Nekrosen, Brückennekrosen |
Übergang in Zirrhose | |
Typ 1 | 45 % |
Typ 2 | 82 % |
Typ 3 | 75 % |
Klassifizierung der chronischen Autoimmunhepatitis | |||
Autoantikörper | Alter | µ-Globuline | HLA- Typ |
Typ 1 | |||
ANA, SMA | 10-20 Jahre | +++ | B8, DR3, DR4 |
Typ 2 a | |||
LKM-1* | 2-14 Jahre | + | B 14, DR3, C4A-QO |
Typ 3 | |||
SLA(SMA) | 30-50 Jahre | ++ | unsicher |
*Typ 2b: | |||
LKM-1 und HCV- RNA. Hepatitis- C- assoziiert (Interferon- Therapie?) | |||
ANA - antinuclear antibodies; LKM - liver, kidney, microsomes; SLA - Antikörper gegen soluble liver antigen; SMA - smooth muscle antibodies |
|||
Bei 40 % der Patienten beginnt die Krankheit mit einer akuten Symptomatik, ein beachtlicher Teil ist asymptomatisch. Klinisch ist sie durch Müdigkeit, Leistungsschwäche und bei 25 % durch Bindehautentzündung, Gelenkbeschwerden und -entzündungen, Schilddrüsenentzündung, Zuckerkrankheit und Dickdarmentzündung charakterisiert. Die Krankheit geht häufig in eine Leberzirrhose über, in der sich ein hepatozelluläres Karzinom entwickeln kann. Vor Einführung der Corticoidtherapie betrug die 5- Jahres- Überlebensrate nur 50 %, in den 70er Jahren stieg sie auf 70 - 80 %, bei konsequent durchgeführter Behandlung entspricht sie heute der der Normalpopulation. Bei sehr schwerem Verlauf liegt die 10- Jahres- Überlebensrate bei nur 10 %, bei der Typ 2- Autoimmunhepatitis (LKM- Antikörper- positive Hepatitis) versterben in 6-14 Jahren 25-51 % der Patienten.
Die primäre Therapie der chronischen Autoimmunhepatitis besteht in der Gabe von Glucocorticoiden (z. B. Cortison). Dies kann selbst bei nicht gesicherter Diagnose versucht werden, ein Ansprechen auf Corticoide stellt den Beweis für die Richtigkeit der Diagnose dar. Die am häufigsten verwendeten Glucocorticoide sind Prednison und Prednisolon, die wirkungsgleich sind, obgleich Prednison in der Leber zunächst noch in Prednisolon umgewandelt werden muss. Die Therapie wird mit 60 mg täglich begonnen und dann schrittweise bis zu einer Erhaltungsdosis von 8-15 mg täglich reduziert. Die initiale Dosis für Kinder beträgt 2 mg/kg täglich, sie wird im Zeitraum von 4- 6 Wochen auf eine Erhaltungsdosis von 5 mg täglich reduziert. Nicht zu empfehlen ist eine alternierende Therapie, bei der Glucocorticoide jeden zweiten Tag verabreicht werden, oder eine Hochdosisbehandlung, bei der mit 90 mg über jeweils 5 Tage im Monat behandelt wird.
Ist es unter der Therapie zur Besserung gekommen, so muss diese biochemisch und histologisch gesichert werden. Dabei ist zu beachten, dass die histologische Remission erst lange nach der biochemischen eintreten kann. So wurde gezeigt, dass nach 6 Monaten eine klinische Remission zwar bei 65 % der Patienten eingetreten war, die histologische aber erst bei 10 %, nach 2 Jahren betrugen die entsprechenden Zahlen 95 % bzw. 65 %. Daher ist es ein Fehler, die Corticoidtherapie zu früh zu beenden. Treten unter der Therapie noch vor Erreichen der Erhaltungsdosis corticoidbedingte Nebenwirkungen auf, so wird Prednisolon/Prednisolon mit Azathioprin kombiniert und das Glucocorticoid weiter vorsichtig reduziert.
Die heute empfohlene Therapie von Autoimmunhepatitis besteht bereits im akuten Schub in der Gabe von Prednison oder Prednisolon in Kombination mit Azathioprin (Tab. 3) Es gibt keine bestimmten Erkennungsmerkmale bei Patienten, die eine derartige Therapie von vornherein verbieten, außer einer bereits bestehenden Schwangerschaft. In diesem Falle sollte nur mit Glucocorticoiden behandelt werden, da theoretisch die Möglichkeit teratogener Schäden durch Azathioprin besteht. Ist die Schwangerschaft aber unter der Kombinationstherapie eingetreten, so sollte die Therapie auch als Kombinationsbehandlung fortgesetzt werden, da nach Absetzen von Azathioprin mit einer Verschlechterung der Entzündung zu rechnen ist. Die Kombinationsbehandlung kann:
Beim ersten Vorgehen soll schon initial die Corticoiddosis so klein wie möglich gehalten werden, um steroidbedingten Nebenwirkungen vorzubeugen. Im zweiten Beispiel soll die synergistische Wirkung von Glucocorticoiden und Azathioprin die Besserung der Remission doch noch erzwingen, und im dritten Fall soll das Glucocorticoid wegen der schon eingetretenen Nebenwirkungen durch das wesentlich nebenwirkungsärmere Azathioprin teilweise unterstützt werden.
Therapie der Autoimmunhepatitis im akuten Schub | |
1. Woche Prednison/Prednisolon | 60 mg tgl. |
2. Woche Prednison/Prednisolon | 40 mg tgl. |
3. Woche Prednison/Prednisolon | 30 mg tgl. |
Erhaltung Prednison/Prednisolon | 20 mg tgl. |
Bei Remission Azathioprin hinzugeben, | |
zunächst Azathioprin | 50 mg tgl., |
dann Azathioprin | 100 mg tgl. |
Gleichzeitig Prednison/Prednisolon abbauen | in 5 mg und 2 mg- Schritten bis auf 10 oder 8 mg zur Erhaltungstherapie |
oder: | |
1. Woche Prednison/Prednisolon | 30 mg tgl. + Azathioprin 50 mg tgl. |
2. Woche Prednison/Prednisolon | 20 mg tgl. + Azathioprin 50 mg tgl. |
3. Woche Prednison/Prednisolon | 15 mg tgl. + Azathioprin 50 mg tgl. |
Erhaltungstherapie Prednison/Prednisolon | bis 10 mg tgl. + Azathioprin 50-100 mg tgl. |
Bei allen drei Therapieoptionen besteht die Absicht, Azathioprin als sogen. "Cortisonsparer" einzusetzen, da es weniger gravierende Nebenwirkungen hat als das Glucocorticoid, das zum Glaukom, zum Steroiddiabetes, besonders gravierend bei Langzeittherapie aber zur Osteoporose mit Wirbelköpereinbrüchen und sogar zur Querschnittslähmung führen kann. So kommt es nämlich unter Prednison bei 44 % der Patienten zu Nebenwirkungen, unter der Kombinationstherapie aber nur bei 10 %!
Der steroidsparende Effekt von Azathioprin steigert außerdem und gerade bei jungen Frauen die Compliance, da unter der Kombinationstherapie auch die kosmetischen Effekte der Glucocorticoide, wie Vollmondgesicht, Akne und Unterschenkelödeme seltener auftreten oder sogar vermieden werden. Bei Frauen in der Menopause verringert die Kombination Azathioprin - Prednison/Prednisolon das Osteoporoserisiko und bei Kindern das Zurückbleiben des Längenwachstums. Auf Prednison/Prednisolon alleine oder in Kombination mit Azathioprin sprechen 80 % der Patienten an, bei 65 % kommt es zur klinischen, biochemischen und histologischen Remission.
...während der Besserung
Eine wichtige Maßnahme stellt die Therapie zur Erhaltung der Remission dar. Da 80 - 90 % der Patienten innerhalb eines Jahres ein RezidivWiederaufflammen der Erkrankung, hier also Neuentstehung eines Tumors. erleiden, wenn Prednison und/oder Azathioprin abgesetzt werden, bleiben von den initial ansprechenden Patienten also nur 10 - 20 % rezidivfrei. Grundsätzlich ist bei der Erhaltungstherapie die niedrigste Dosis an Medikamenten anzustreben, mit der der Patient in Remission gehalten werden kann, was am besten durch Kombinationstherapie Prednison oder Prednisolon und Azathioprin erreicht wird. Als Dauer der Erhaltungstherapie werden 2 - 4 Jahre empfohlen, aus eigener Erfahrung kann aber gesagt werden, dass in Einzelfällen auch eine Dauertherapie von 5 und mehr Jahren noch zur vollständigen Heilung führt.
Nach frühestens zwei Jahren remissionserhaltender Therapie kann ein Auslassversuch unternommen werden, wobei die Glucocorticoide in Milligrammschritten abgebaut werden. Steigen die Werte darunter wieder an, wird erneut mit einer Initialdosis begonnen, bis eine erneute Remission erreicht wird. Kommt es nach dem zweiten Auslassversuch, der wieder frühestens erst nach zwei Jahren Remission unternommen werden sollte, zum erneuten RezidivWiederaufflammen der Erkrankung, hier also Neuentstehung eines Tumors., so ist eine Dauerbehandlung, eventuell sogar intensiviert, über viele Jahre erforderlich. Auch bei Langzeittherapie ist grundsätzlich wieder die niedrigste Erhaltungsdosis anzustreben.
Die remissionserhaltende Therapie sollte als Kombinationstherapie durchgeführt werden. Die Corticoiddosis sollte bei der remissionserhaltenden Therapie 2,5-10 mg (möglichst unter 10 mg) pro Tag betragen, die von Azathioprin 1 mg/kg.
Etwa 13 % der Patienten sprechen auf die Prednison/Azathioprin- Therapie nur unbefriedigend an und bei 9 % kommt es unter der Behandlung sogar zur Verschlechterung. Bei diesen Kandidaten besteht das Risiko baldigen Leberversagens, weswegen rechtzeitig an eine Lebertransplantation zu denken ist.
Der Einsatz moderner Immunsuppressiva wie Ciclosporin A, Tacrolimus (FK506)) oder Mycophenolat- Mofetil, hat in Einzelfällen zwar doch noch zum Erfolg geführt, kontrollierte Studien über ihren Einsatz bei der Autoimmunhepatitis liegen aber noch nicht vor. Die 5- Jahres- Überlebensrate nach Transplantation beträgt etwa 90 %. Bei richtiger Immunsuppression mit Ciclosporin, Glucocorticoiden und Azathioprin lassen sich Rezidive im Transplantat weitgehend vermeiden. Bei insuffizienter Immunsuppression und bei HLA-DR3- positiven Empfängern und HLA-DR3- negativen Spendern sollen sich vermehrt Rezidive entwickeln.
Prof. Dr. med. Ulrich Leuschner, Frankfurt
Der Broschüre "Immunsuppressive Therapie mit Azathioprin bei chronischen Lebererkrankungen Az 4", mit freundlicher Genehmigung der Falk Pharma GmbH, Freiburg, gekürzt entnommen.
Autoimmunhepatiis kann sich mit dem Krankheitsbild anderer Lebererkrankungen überschneiden, dies nennt man Overlap- Syndrom.
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
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