Die Lebertransplantation ist oftmals die einzige Therapiemöglichkeit bei fortgeschrittenen Erkrankungen der Leber. In den letzten Jahren konnten die Erfolgsaussichten einer Lebertransplantation sowohl durch Fortschritte im operativen als auch medikamentösen Bereich (Immunsuppression) erheblich verbessert werden. Mögliche Langzeitkomplikationen oder Nebenwirkungen der immunsuppressiven Therapie gewinnen daher eine zunehmende Bedeutung. Die Entwicklung einer Osteoporose (Knochenschwund) nach einer Transplantation ist eine häufige Komplikation, die je nach Schweregrad zu Knochenbrüchen führen kann.
Gefahr Osteoporose und die Knochendichtemessung - Kasse zahlt DXA-Messung bei Risikopatienten
Osteoporose ist eine Stoffwechselkrankheit der Knochen. Sie verursacht einen Verlust von Knochensubstanz, eine Zerstörung von Knochenstrukturen und Verminderung der Knochenfestigkeit. Durch Osteoporose geschädigte Knochen sind gefährdet, bereits bei geringen Belastungen zu brechen. Bei einem Teil der Knochenbrüche (Wirbelkörperfrakturen) ist ein folgenloses Ausheilen nicht möglich. Es entstehen bleibende Knochenverformungen, die wiederum Fehlbelastung der Gelenke, Muskulatur und Sehnen zur Folge haben. Hieraus resultieren Schmerzen in Ruhe sowie bei körperlicher Belastung.
Nach dem Schweregrad der Erkrankung wird unterschieden in:
Nach der Ursache wird unterschieden in primäre und sekundäre Osteoporose. Bei Patienten mit primärer Osteoporose lassen sich keine Ursachen feststellen. Bei der sekundären Osteoporose finden sich Ursachen, die unmittelbar zu einer Knochenschädigung führen. Bei primärer und sekundärer Osteoporose ist der Krankheitsprozess am Knochen jedoch nahezu identisch: Es kommt zu einem Verlust von Knochenmasse bedingt durch einen gesteigerten Knochenabbau oder einen verminderten Knochenaufbau. Durch Verlust der Knochenmasse kommt es auch zu einer Störung der Knochenarchitektur. Beides führt dazu, dass die geschädigten Knochen weniger belastbar sind und leichter brechen. Häufig sind es scheinbar banale Ereignisse, die bei Patienten mit Osteoporose einen Knochenbruch auslösen können (z.B. Sturz aus dem Stehen oder das Heben einer Einkaufstasche).
Entscheidende Grundvoraussetzung für einen gesunden Knochenstoffwechsel ist eine normale Funktion der Geschlechtshormone, eine ausgewogene Ernährung (Calcium- und Vitamin D- Versorgung) und ausreichende Bewegung. Dies sind die drei Grundbausteine, die notwendig sind, um einen normalen Knochenaufbau zu ermöglichen und andererseits einen gesteigerten Verlust an Knochenmasse zu verhindern. Störungen in einem dieser drei Bereiche führen daher direkt zur Beeinträchtigung des Knochenstoffwechsels und zu einem erhöhten Osteoporoserisiko.
Die manifeste Osteoporose muss von der Osteopenie oder präklinischen Osteoporose ohne Knochenbruch unterschieden werden. Die Stoffwechselvorgänge, die zu einer Erniedrigung der Knochenmasse führen, ohne dass es dabei bereits zu einem Knochenbruch kommt, verursachen nach dem bisherigen Wissen keine Beschwerden.
Die Beschwerden bei manifester Osteoporose werden wesentlich durch das Auftreten von Knochenbrüchen bestimmt, die bei den meisten Patienten an der mittleren Brust- und Lendenwirbelsäule auftreten. Nach der Art der Verformung und der Schwere des Wirbeleinbruchs lassen sich unterschiedliche Bruchformen (Grund- und Deckplatteneinbrüche, Keilbrüche und sog. Plattwirbelbrüche oder Kompressionsfrakturen) unterscheiden. Bei mehreren Brüchen kann die Körpergröße erheblich abnehmen.
Erfassung von Risikofaktoren
Entscheidend für die Diagnosestellung einer Osteoporose ist zunächst die Erstellung eines Risikoprofils für jeden Patienten, wobei die genannten Haupteinflussfaktoren Ernährung, Bewegung und regelrechte Funktion der Geschlechtshormone so wie sämtliche Vorerkrankungen, längerfristig eingenommene Medikamente, Lebensgewohnheiten und eine evtl. bestehende familiäre Osteoporosebelastung erfragt werden müssen.
Knochendichtemessung
Die Messung der Knochendichte dient zur Abschätzung der vorhandenen Knochenmasse im Vergleich zu einem alters- und geschlechtsgleichen gesunden Normkollektiv. Ist eine Transplantation geplant, sollte die Knochendichte vor der Transplantation gemessen werden, um hierdurch eine evtl. bereits bestehende Schädigung des Knochens frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Nach einer Transplantation empfehlen sich Verlaufskontrollen der Knochendichte während der ersten 2 Jahre halbjährlich, danach in jährlichen Abständen.
Röntgen der Wirbelsäule
Die Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule dient dazu, bereits eingetretene Wirbelkörpereinbrüche zu erkennen. Nur durch die Röntgenuntersuchung kann eindeutig abgeklärt werden, ob es sich um Rückenschmerzen im Zusammenhang mit osteoporotischen Wirbelkörpereinbrüchen handelt oder um Rückenschmerzen anderer Ursache. Ist eine Transplantation vorgesehen, sollte die Röntgenuntersuchung der Brust- und Lendenwirbelsäule unbedingt im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung erfolgen. Im Anschluss an die Transplantation sollten seitliche Aufnahmen der Brust- und Lendenwirbelsäule in jährlichen Abständen bzw. bei akut aufgetretenen Rückenschmerzen erfolgen.
Laboruntersuchungen zur Diagnose einer Osteoporose
Es gibt keine Laborparameter, die als Suchtest angewandt werden können und das Vorhandensein einer Osteoporose anzeigen oder ausschließen. Laboruntersuchungen dienen vielmehr dazu, andere Erkrankungen mit Auswirkung auf den Knochen zu erkennen.
Die Ursachen für die Osteoporoseentstehung nach Lebertransplantation sind komplex, wobei Wechselwirkungen zwischen dem Knochenstatus vor Transplantation und der immunsuppressiven Therapie nach Transplantation die wichtigste Rolle spielen. Bei schweren chronischen Lebererkrankungen kommt es zur Beeinträchtigung des Knochens, wobei als Ursache hauptsächlich Störungen im Vitamin D- und Calciumstoffwechsel angenommen werden.
Weiterhin beeinflussen Fehl- und Mangelernährung, ein Geschlechtshormonmangel sowie teilweise ein vorausgegangener chronischer Alkoholismus den Knochenstoffwechsel direkt. Einige Lebererkrankungen (primär biliäre Zirrhose) können selbst zu einer Osteoporose mit Knochenbrüchen führen. Mangelnde körperliche Bewegung oder völlige Bettlägerigkeit vor Transplantation begünstigen zudem einen Knochenmasseverlust. Da diese genannten Einflussfaktoren häufig zusammen vorkommen und bei den einzelnen Patienten eine unterschiedliche Rolle spielen, ist der Ausgangsstatus des Knochens bei den transplantierten Patienten ebenfalls sehr variabel.
In verschiedenen Untersuchungen wurde gezeigt, dass etwa 8 – 10% der Patienten bereits vor Transplantation eine Osteoporose mit Wirbeleinbrüchen haben. Die genaue Abklärung des Knochenstatus (Labordiagnostik, Knochendichtemessung, Röntgen der Wirbelsäule) vor Transplantation ist daher dringend notwendig. Nach Transplantation werden die Wirkung der Glucocorticosteroide sowie von Ciclosporin und anderer Immunsuppressiva angenommen. Dazu kommt bei einem Teil der Patienten das Fortbestehen der Immobilisation und hormonaler Störungen (Mangel an Geschlechtshormonen).
Entscheidend in der Vorbeugung einer Osteoporose ist die Vermeidung einer der drei Hauptrisikofaktoren, nämlich Geschlechtshormonmangel, Mangel an Calcium und Vitamin D bzw. Unterernährung und Bewegungsmangel. Diesbezüglich sollte bereits vor Transplantation eine Optimierung angestrebt werden.
Nach Lebertransplantation sollte möglichst rasch mit der Mobilisierung begonnen werden und im Hinblick auf die Osteoporosevorbeugung eine Motivation zu regelmäßiger körperlicher Betätigung (Muskelaufbautraining, regelmäßiges Gehen im Freien ca. 1/2 Stunde pro Tag, Bewegungsprogramme der Selbsthilfegruppen Osteoporose) erfolgen. Zur Optimierung der Calciumversorgung empfiehlt sich vor Transplantation eine tägliche Zufuhr von 1000 mg Calcium pro Tag.
Da diese Calciummenge meistens über die Nahrung nicht erreicht wird, sollten entsprechende Mineralstoffpräparate (Calciumtabletten/Brausepulver) eingenommen werden. Weiterhin kann eine zusätzliche Zufuhr von Vitamin D (500 - 1000 Einheiten pro Tag) günstig sein. Auf jeden Fall sollte ein Vitamin D Mangel durch entsprechende Laboruntersuchungen ausgeschlossen werden. Besteht bereits vor der Transplantation ein Mangel an Geschlechtshormonen sollte eine entsprechende Behandlung erwogen werden.
Ist bereits vor der Transplantation eine erniedrigte Knochendichte festgestellt worden oder bestehen schon Knochenbrüche, sollte eine weitere medikamentöse Therapie erfolgen, um einen gesteigerten Knochenmassenverlust zu verhindern. Bisher gibt es jedoch nur wenige klinische Studien, die die Wirksamkeit verschiedener Medikamente zur Behandlung der Osteoporose nach Transplantation untersucht haben.
Die Empfehlungen stützen sich daher hauptsächlich auf die Erfahrungen, die bei der Behandlung von Patienten mit Osteoporose durch andere Ursachen gewonnen wurden. Bei Frauen, die sich in den Wechseljahren befinden, sollte eine Östrogen/Gestagen- Ersatztherapie zur Vorbeugung des gesteigerten Knochenmasseverlustes erfolgen. Analog dazu sollte bei Männern mit einem Mangel an männlichem Geschlechtshormon (Testosteron) nach Transplantation eine Ersatztherapie in Betracht gezogen werden.
Medikamente, die den Knochenabbau hemmen sind bei der Osteoporose nach Transplantation vermutlich besonders erfolgversprechend, da es unter der Therapie mit Ciclosporin zumindest zeitweilig zu einem gesteigerten Knochenabbau kommt. Als Therapiemöglichkeit zur Hemmung des gesteigerten Knochenabbaus kommt eine Behandlung mit Calcitonin (entspricht einem körpereigenen Hormon, das die knochenabbauenden Zellen hemmt) oder eine Behandlung mit Bisphosphonaten in Frage.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die Steigerung des Knochenaufbaus. Hierzu steht bisher für den klinischen Gebrauch lediglich eine einzige Medikamentengruppe, die Fluoride, zur Verfügung. In einer klinischen Studie wurden bei Patienten nach Herztransplantation Fluoride (Natrium- Monofluorophosphat) in Kombination mit Calcium und Vitamin D eingesetzt. Dabei fand sich nach 2 Jahren eine deutliche Zunahme der Knochenmasse, im Hinblick auf das Risiko für Knochenbrüche war diese Untersuchung jedoch nicht eindeutig aussagekräftig.
Zusammenfassend lässt sich im Hinblick auf die Transplantationsosteoporose derzeit schließen, dass die Auswahl der medikamentösen Therapie unbedingt die individuell verschiedenen Risikofaktoren des einzelnen Patienten bereits vor der Transplantation berücksichtigen sollte. Weiterhin ist selbstverständlich der Verlauf nach Transplantation, d.h. evtl. auftretende Komplikationen wie wiederholte Abstoßungsreaktion oder lang andauernde Immobilität mit entscheidend für den Umfang und Auswahl der medikamentösen Therapie. In Zukunft sind dringend weitere klinische Studien notwendig, um die optimale Therapieform/Dosierung herauszufinden. Dies gilt insbesondere für eine vorbeugende Behandlung mit dem Ziel, das Auftreten von Knochenbrüchen nach Transplantation zu verhindern. Solche klinischen Studien, die die bisherigen Erkenntnisse zur Behandlung der Osteoporose nach Transplantation als Grundlage nehmen, stellen in Aussicht, dass langfristig das Auftreten und die Folgen einer schweren Osteoporose bei transplantierten Patienten verringert werden können.
Anschrift der Verfasser:
Dr. med. Gudrun Leidig-Bruckner, Prof. Dr. med. Reinhard Ziegler
Medizinische Universitätsklinik
Abteilung Innere Medizin I
Endokrinologie und Stoffwechsel
Luisenstr. 5
69115 Heidelberg
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