Unabhängig von der Grunderkrankung (z.B. Virushepatitis, Autoimmunhepatitis) können chronische Lebererkrankungen zu Veränderungen führen, die im Endstadium zur Leberzirrhose voranschreiten. Früher ging man davon aus, dass eine Zirrhose nicht rückbildungsfähig ist. Demgegenüber zeigen neuere Untersuchungen, dass eine effiziente Therapie selbst bei Vorliegen einer Zirrhose zu deutlichen Verbesserungen führen kann. Trotzdem treten Komplikationen der Leberzirrhose immer noch häufig auf und können lebensbedrohlich sein.
Die Leber ist ein sehr belastbares Organ. Treten Schäden auf, kann verloren gegangenes Gewebe durch Regeneration ersetzt werden, und die Funktion des Organs bleibt erhalten. Bei starker Regeneration nimmt das neue Gewebe teils knotige Formen an. Diese Regeneratknoten sind funktionstüchtig, können aber eine atypische Versorgung mit Blutgefäßen und Gallenwegen aufweisen.
Neben der Bildung von Regeneratknoten führen chronische Lebererkrankungen zu einer vermehrten Ablagerung von Bindegewebe – eine Vernarbung der Leber. Wenn das Bindegewebe die Regeneratknoten komplett vom übrigen Lebergewebe trennt, spricht man von einer Leberzirrhose. Diese Diagnose wird häufig mittels Leberpunktion gestellt, kann in fortgeschrittenen Stadien aber auch mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall oder Computertomografie (CT) erkannt werden.
Früher galt: Die Leberzirrhose ist das irreversible Endstadium chronischer Lebererkrankungen. Dies wird heute differenzierter betrachtet. Schon lange war klar, dass eine effiziente Therapie der Grunderkrankung die Prognose einer Leberzirrhose deutlich verbessert (z.B. Alkoholkarenz bei alkoholischer Fettleberzirrhose, Immunsuppression bei autoimmuner Hepatitis, Kupferentspeicherung bei Morbus Wilson).
In den letzten Jahren wurden zusätzlich große Studien zur Virushepatitis (Hepatitis B und C) durchgeführt. Diese haben durch eine genaue histologische Überwachung gezeigt, dass die Ablagerung von Bindegewebe, also die Vernarbung der Leber, mit der Therapiedauer zurückgehen kann – teils so stark, dass eine vorher diagnostizierte Leberzirrhose nicht mehr in der Leberbiopsie erkennbar war. Diese Befunde haben für anhaltende Diskussionen in der Fachwelt gesorgt: Während einige von einer Rückbildung der Zirrhose sprachen, betonten andere, dass nur das Bindegewebe in der Leber abnimmt, die veränderte Leberstruktur mit den Regeneratknoten aber verbleibt.
Schließlich kam von einer internationalen Fachkommission aus Leberpathologen der Vorschlag, sich vom Begriff der Leberzirrhose zu trennen und anstelle dessen nur noch das Stadium der Vernarbung zu beschreiben. Dies wird sich in der klinischen Praxis wahrscheinlich nicht durchsetzen, aber wir haben gelernt, dass frühere Dogmen nicht immer Bestand haben. Erfreulich ist, dass für viele Lebererkrankungen Therapien zur Verfügung stehen und selbst in fortgeschrittenen Stadien die Hoffnung auf Besserung keineswegs aufgegeben werden muss.
Selbst wenn bei einer Zirrhose die Chance auf Rückbildung besteht, wird die Diagnose doch häufig erst gestellt, nachdem bereits Komplikationen aufgetreten sind. Im Einzelfall kann auch die erfolgreiche Therapie der Grunderkrankung schwierig sein. Auch nach erfolgreicher Rückbildung der zirrhotischen Vernarbung können Komplikationen auftreten, wenn auch in deutlich verminderter Häufigkeit (z.B. Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms). Diese Komplikationen sind es, die die Lebensqualität beeinträchtigen und zu Krankenhausaufenthalten und Todesfällen führen können.
Bei der Entwicklung von Komplikationen haben unterschiedliche Faktoren einen Einfluss:
(a) Die Funktionsfähigkeit der Leber nimmt ab, und sie kann ihre Aufgaben nur noch eingeschränkt wahrnehmen. Es wird weniger Eiweiß produziert, der Körper wird schlechter entgiftet, und der Stoffwechsel wird weniger genau reguliert.
(b) Das Blut fließt nicht mehr ungehindert von Darm und Milz durch die Leber, sondern tritt über Umwege (Shunts) in den systemischen Kreislauf über. Der Blutdruck vor der Leber steigt (Pfortaderhochdruck, portale Hypertension).
(c) Die vermehrte Regeneration kann einen übermäßigen Wachstumsreiz darstellen. Wenn die Kontrollmechanismen nicht mehr greifen, kann dieses Wachstum bösartig entarten und zur Bildung von Tumoren führen.
Je nachdem, welcher der genannten Faktoren im Vordergrund steht, können die Komplikationen individuell sehr unterschiedlich ausfallen, z.B. Bildung von Krampfadern v.a. im Bereich der Speiseröhre (Ösophagusvarizen), Ansammlung von Wasser im Bauch (Aszites), um die Lunge (hepatischer Hydrothorax) oder in den Extremitäten (Ödeme), Konzentrations- und Schlafstörungen (hepatische Enzephalopathie). Auch weitere Organe können in Mitleidenschaft gezogen werden, z.B. die Niere (hepatorenales Syndrom), das Herz (hepatische Kardiomyopathie) oder die Lunge (hepatopulmonales Syndrom, portopulmonale Hypertonie).
Mit einer Rate an tödlichen Verläufen zwischen 20 und 40 % stellt die akute Blutung aus Ösophagusvarizen immer noch eine gefürchtete Komplikation der Leberzirrhose dar. Daher sollte bei jeder Leberzirrhose endoskopisch nach Ösophagusvarizen gesucht werden. Nichtinvasive Verfahren zur Identifizierung von Ösophagusvarizen sind der Endoskopie noch unterlegen.
Die Gabe von nicht-kardioselektiven Beta-Blockern (z.B. Propanolol) verhindert bei kleinen Varizen die Größenzunahme, bei größeren wird die Blutungsrate gesenkt. Zurückhaltend sollten Beta-Blocker bei gleichzeitig eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt werden, da hier eine weitere Verschlechterung droht. Große Varizen können, vor allem wenn noch zusätzliche Risiken für eine Blutung vorliegen, auch schon vor der ersten Blutung endoskopisch verödet werden (Standard Gummibandligatur). Bei aufgetretener Blutung stellt das endoskopische Vorgehen aktuell den Standard dar.
Viel Aufsehen hat eine europäische Multicenter-Studie erregt, in der die frühzeitige (max. 72 Std.) Implantation einer Gefäßprothese in die Leber (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt, TIPS) bei akuter Ösophagusvarizenblutung durchgeführt wurde. Die so behandelten Patienten hatten einen deutlichen Überlebensvorteil. Auch wenn dieselbe Forschergruppe dieses Jahr ähnliche Ergebnisse einer retrospektiven Analyse weiterer Patienten präsentierte, stellt die frühzeitige TIPS-Anlage derzeit noch keinen neuen Behandlungsstandard, wohl aber eine mögliche Alternativtherapie bei akuter Varizenblutung dar.
Ausgelöst durch Veränderungen der Durchblutung im Bereich von Darm, Milz und nachgeschaltet der Leber treten bei Leberzirrhose hormonelle Veränderungen ein. Unter anderem sind davon die Hormone Renin, Angiotensin, Aldosteron, Adrenalin, Noradrenalin und Vasopressin (antidiuretisches Hormon) betroffen. Dadurch scheidet der Körper weniger Salz (Natrium) über die Nieren aus. Die Flüssigkeitsmenge im Körper steigt. Im weiteren Verlauf wird auch die Wasserausscheidung direkt vermindert. Die im Körper zurückgehaltene Flüssigkeit sammelt sich bei vielen Patienten als Bauchwasser (Aszites) und kann Mengen von über 20 l erreichen.
Aszites kann in frühen Stadien nur durch technische Untersuchungen (z.B. Ultraschall) erkannt werden. Ab einer Menge von 1–2 l wird der körperliche Untersuchungsbefund auffällig. Große Aszitesmengen führen zu einer aufgetriebenen und gespannten Bauchdecke. Es gibt keine guten Untersuchungen, die zeigen, dass eine Therapie des Aszites die Prognose verbessert oder weitere Komplikationen verhindern kann. Somit handelt es sich bei der Aszitesbehandlung um eine symptomatische Therapie zur Verminderung von Beschwerden. Dazu werden häufig harntreibende Medikamente (Diuretika) verwendet (z.B. Furosemid, Torasemid, Spironolacton). Bei sehr großen Aszitesmengen kommt die Aszitespunktion zum Einsatz. Wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirkt oder es zu Nebenwirkungen kommt, spricht man von refraktärem Aszites. Hier kann, wie bei der Varizenblutung, die Anlage eines intrahepatischen Stents (TIPS) angezeigt sein.
Ein schwerwiegendes Problem in der Aszitesbehandlung stellen zu niedrige Natriumwerte im Blut dar. Seit 2009 ist mit Tolvaptan ein Vasopressin-V2-Rezeptor-Antagonist verfügbar, der in Europa zwar nicht für die Leberzirrhose zugelassen ist, aber die Natriumkonzentrationen normalisieren kann. Kürzlich wurden leider Nebenwirkungen dieser Substanz an der Leber bekannt, sodass sie bei Zirrhose nicht mehr verwendet werden sollte. Ein weiteres neues Verfahren ist die AlfaPump®. Dieses Gerät, das in den Bauchraum eingesetzt wird, pumpt den Aszites langsam in die Harnblase. Während die Zahl der notwendigen Punktionen zurückgeht, wurden verschiedene praktische Probleme in der Anwendung bekannt, sodass hier noch nicht klar ist, welchen Stellenwert diese Technik zukünftig haben wird.
Infektionen gehören zu den häufigen Todesursachen bei Leberzirrhose, darunter zirrhosespezifische Infektion wie die zirrhotische Bauchfellentzündung (spontan bakterielle Peritonitis), aber auch andere Infekte, z.B. im Rahmen von Varizenblutungen oder Lungenentzündungen. Da das Immunsystem bei Zirrhose nur eingeschränkt arbeitet, finden sich gehäuft schwerwiegende Verläufe.
Aus diesem Grund werden Infekte bei Leberzirrhose großzügiger als üblich mit Antibiotika behandelt. Bei hohem Risiko oder nach durchgemachter spontan bakterieller Peritonitis wird sogar eine dauerhafte antibiotische Therapie empfohlen.
Als hepatische Enzephalopathie (HE) wird eine leberbedingte, reversible Funktionseinschränkung des Gehirns bezeichnet. Sie zeichnet sich vor allem durch Müdigkeit sowie Konzentrationsstörungen aus und kann bis zum Koma führen. Ursache sind Giftstoffe, die von der Leber unzureichend aus dem Körper entfernt werden.
Lange Zeit gab es kaum gute Studien zur Behandlung der HE. In den letzten Jahren ist der Erkenntnistand aber deutlich größer geworden. Als wirksam sind folgende Therapieformen etabliert: Laktulose, Ornithin-Aspartat, Probiotika, Rifaximin und verzweigtkettige Aminosäuren. Bei hepatischer Enzephalopathie sollte keine Verminderung der Eiweißzufuhr angeordnet werden.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Prognose der Leberzirrhose durch die Behandlung der Grunderkrankungen besser geworden ist. Trotzdem treten immer noch Komplikationen auf, für die es in vielen Fällen gesicherte therapeutische Konzepte gibt.
Priv.-Doz. Dr. med. Matthias J. Bahr
Ärztlicher Direktor und
Chefarzt der Medizinischen Klinik I
Sana Kliniken Lübeck
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
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