Dieser Artikel ist entnommen aus den Lebenslinien 2/2011 - Seite 13. Autoren:
Dr. med. G. U. Denk
Prof. Dr. med. A. L. Gerbes
Lebercentrum, Medizinische Klinik II
Klinikum der Universität München – Campus Großhadern
Priv.-Doz. Dr. med. T. Pusl
I. Medizinische Klinik, Klinikum Augsburg
Etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland leidet an einem metabolischen Syndrom. Darunter versteht man das gleichzeitige Vorliegen von mindestens drei der folgenden Kriterien (nach der Definition des amerikanischen Nationalen Cholesterinerziehungsprogramms, National Cholesterol Education Program, NCEP):
Diese typische „Wohlstandskrankheit“ erhöht signifikant das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu entwickeln. Es ist deshalb wichtig, Patienten mit metabolischem Syndrom rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Das metabolische Syndrom gilt darüber hinaus auch als Risikofaktor für die Entwicklung einer Fettleber. Von einer Fettleber (Steatosis hepatis) spricht man, wenn Fett mehr als fünf bis zehn Prozent des Lebergewichts ausmacht. Die meisten Patienten mit einer Fettleber sind bei Diagnosestellung beschwerdefrei. Die Verdachtsdiagnose einer Fettleber wird meist aufgrund erhöhter Serumleberwerte oder einer auffälligen Sonografie, Computertomografie oder Magnetresonanztomografie gestellt. Obwohl eine Fettleber bei vielen Betroffenen gutartig ist, wird sie doch als relevanter Risikofaktor für die Entwicklung einer Leberzirrhose und den damit verbundenen Folgen bis hin zur Entwicklung eines Leberkrebses angesehen.
Übergewicht und verminderte körperliche Aktivität stellen zentrale Faktoren für die Entstehung der Fettleber wie auch des metabolischen Syndroms dar. Von Übergewicht spricht man ab einem Body Mass Index (BMI = Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in m, kg/m2) von 25 kg/m2. Als adipös gelten Personen mit einem BMI > 30 kg/m2. In Deutschland sind etwa drei Viertel der Männer und knapp zwei Drittel der Frauen übergewichtig oder sogar adipös. Eine Tabelle zur einfachen Berechnung des BMI findet sich bei www.lcm-muenchen.de .
Adipositas und metabolisches Syndrom betreffen natürlich nicht nur die Allgemeinbevölkerung, sondern auch das Kollektiv der Patienten mit fortgeschrittenen Lebererkrankungen, die für eine Lebertransplantation in Frage kommen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass Patienten, die bereits vor Transplantation übergewichtig (BMI 25–29,9 kg/m2) oder adipös (BMI ≥ 30 kg/m2) waren, ihr Gewicht nach der Transplantation nur sehr selten wieder in den Normbereich (BMI ≤ 25 kg/m2) bringen können. Untersuchungen stellten sogar fest, dass etwa ein Drittel der vor Transplantation normalgewichtigen Patienten nach der Lebertransplantation adipös wurden. Dies ist von großer medizinischer Relevanz, da Übergewicht und Adipositas, wie bereits geschildert, mit der Entwicklung eines metabolischen Syndroms vergesellschaftet sind. Eine nichtalkoholische Fettleber vor der Lebertransplantation stellt einen besonderen Risikofaktor für das metabolische Syndrom nach der Transplantation dar.
Watt und Charlton haben erst kürzlich in einer ausgezeichneten Übersichtsarbeit (Journal of Hepatology 2010; 53: 199– 206) diese Problematik ausführlich diskutiert. So scheint der immunsuppressiven Medikation (Cortison/Steroide, Calcineurininhibitoren wie Tacrolimus und Ciclosporin und mTOR-Inhibitoren wie Sirolimus) eine wesentliche Bedeutung bei der Entwicklung des metabolischen Syndroms nach Lebertransplantation zuzukommen.
Die Medikation mit Steroiden kann zum einen zu einer Zunahme des Bauchfetts, zum anderen zu einer vermehrten Zuckerbildung und gleichzeitig zu einer vermehrten Produktion von Insulin und einem verminderten Zuckerverbrauch führen. Daraus kann sich im ungünstigen Falle ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) entwickeln.
Mit den Calcineurininhibitoren Tacrolimus und Ciclosporin und dem mTOR-Inhibitor Sirolimus stehen inzwischen zuverlässige Immunsuppressiva zur Verfügung, die das frühere große Problem der Transplantatabstoßung unter Kontrolle gebracht haben.
Leider erhöhen jedoch auch diese Medikamente über verschiedene Mechanismen das Risiko, nach Transplantation einen Diabetes zu entwickeln. Weitere Nebenwirkungen der Immunsuppressiva können die Entwicklung von Bluthochdruck (Steroide, Calcineurininhibitoren) und von Fettstoffwechselstörungen (Calcineurininhibitoren und mTOR-Inhibitoren) sein.
Generell sollte versucht werden, die anfangs erforderlichen Steroide zügig auszuschleichen und die Serumspiegel der verwendeten Immunsuppressiva innerhalb des Zielbereichs möglichst niedrig zu halten. Der Erfolg der bei uns praktizierten Strategie der stufenweisen Reduktion der Immunsuppressiva, d.h. je größer der zeitliche Abstand zur Transplantation, desto geringer der angestrebte Spiegel der Immunsuppression, bestärkt uns in diesem Vorgehen.
Ferner sollten die Patienten versuchen, nach Transplantation wieder frühzeitig körperlich aktiv zu werden und auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Bei Letzterem gelten die gleichen Empfehlungen wie bei der übrigen Bevölkerung. Eine frühzeitige Mobilisierung wird bei uns im Hause unmittelbar postoperativ durch die Physiotherapie gewährleistet.
Nach der (Früh-)Rehabilitation sollte der Patient unbedingt eine ausreichende körperliche Betätigung, z.B. leichtes Ausdauertraining durchführen. Darüber hinaus sollte auf das Auftreten einer diabetischen Stoffwechsellage geachtet werden und sollten ggf. frühzeitig therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Bei Auftreten eines Bluthochdrucks sollte eine entsprechende medikamentöse Therapie begonnen werden. Es sollten Blutdruckwerte unter 140/90 mmHg, bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder Diabetes sogar unter 130/80 mmHg angestrebt werden.
Eine Fettstoffwechselstörung kann durch entsprechende Medikamente (z.B. Pravastatin oder andere Statine) behandelt werden. Ein weiteres Problem, das nach Lebertransplantation auftreten kann und im engeren Sinne nicht zum metabolischen Syndrom gehört, jedoch mit diesem vergesellschaftet ist, ist das Auftreten einer Niereninsuffizienz.
Zum einen führen Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus und Bluthochdruck an sich schon zum Auftreten von Arteriosklerose der Nierengefäße und dadurch zu einer Nierenschädigung. Zum anderen haben viele Immunsuppressiva langfristig das Risiko einer nierenschädigenden Wirkung. Auch deshalb ist es wichtig, die genannten Risikofaktoren zu optimieren und die Medikamentenspiegel hoch genug, jedoch nicht zu hoch zu halten.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass bis zu über 50 % der lebertransplantierten Patienten ein metabolisches Syndrom entwickeln im Vergleich zu etwa 25 bis 30% bei der westlichen Bevölkerung. Wie die Zahlen aus unserem Zentrum jedoch zeigen, können bei optimaler medizinischer Betreuung dennoch sehr gute Langzeitüberlebensraten von derzeit 85% nach einem Jahr und 73% nach fünf Jahren erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist die engmaschige Betreuung nach Transplantation durch das Zentrum in Zusammenarbeit mit den Kollegen in der Praxis.
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
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