Dieser Artikel ist entnommen aus den Lebenslinien 1/2011 - Seiten 10 bis 13.
Autor: Dr. Jörg Seckinger
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Sektion Nephrologie
Der Diabetes mellitus ist die so genannte Zuckerkrankheit, bei der es infolge einer Stoffwechselstörung zu einer Überzuckerung des Blutes (Hyperglykämie) kommt. Ursache hierfür ist eine gestörte Aufnahme des Blutzuckers in die Körperzellen. Ab einem gewissen Punkt wird der überschüssige Zucker über die Niere ausgeschieden, was häufig von vermehrtem Wasserlassen (Polyurie) und einem gesteigerten Durstgefühl (Polydipsie) begleitet wird. Das Ausscheiden größerer Mengen süßlichen Urins gab der Krankheit auch ihren Namen. Der Begriff Diabetes mellitus leitet sich vom griechischen „diabainein“ (durchfließen) und melitos (honigsüß) ab.
Kohlenhydrate sind der größte mit der Nahrung zugeführte Energielieferant. Zucker- oder stärkehaltige Nahrung wird im Verdauungstrakt in einfache Zuckerbausteine aufgespaltet, die dann vom Darm in das Blut aufgenommen werden.
Der gelöste Zucker wird über die Blutbahn im Körper verteilt und zur Energiegewinnung verwendet. Überschüssiger Zucker wird in der Leber, im Muskel und im Fettgewebe gespeichert und kann von dort bei Bedarf wieder mobilisiert werden. Für sämtliche Stoffwechselvorgänge dient Traubenzucker (auch Glucose oder Dextrose genannt) als wichtigster Energieträger.
Damit Glucose jedoch aus dem Blut in die Zellen übertreten und dort verwertet werden kann, ist eine Art „Schlüssel“ notwendig. Diese Rolle übernimmt im Körper das Hormon Insulin, welches in spezialisierten Zellen der Bauchspeicheldrüse, den so genannten Inselzellen, gebildet wird. Durch fein abgestimmte Regelkreise wird beim Gesunden die Ausschüttung von Insulin und die Aktivierung von Gegenspielern den Bedürfnissen exakt angepasst und der Blutzuckerspiegel dadurch in sehr engen Grenzen gehalten.
So liegen die Blutzuckerwerte beim Gesunden im nüchternen Zustand normalerweise unter 100 mg/dl. Von einem Diabetes spricht man ab einem Nüchternzuckerwert von 126 mg/dl oder ab einem Zwei-Stunden-Wert von 200 mg/dl im Rahmen des Zuckerbelastungstests (beim Gesunden liegt der Wert hier bei < 140 mg/dl). In den Bereichen dazwischen spricht man von einer gestörten Glukosetoleranz, was als Vorstufe zu einem manifesten Diabetes angesehen werden kann. Harnzucker lässt sich erst ab dem Überschreiten der so genannten Nierenschwelle nachweisen, was Blutzuckerwerten von zirka 180 mg/dl entspricht.
1922 wurde erstmals ein Mensch erfolgreich mit einem Extrakt aus einer Rinderbauchspeicheldrüse behandelt und schon 1923 waren die ersten kommerziell erhältlichen Insulinpräparate verfügbar. 1982 gelang es erstmals, menschliches Insulin durch gentechnisch veränderte Bakterien herzustellen und seit 1996 sind auch künstliche Insuline, so genannte Insulinanaloga, verfügbar, welche sich vom Humaninsulin bezüglich ihres Wirkeintritts und ihrer Wirkdauer unterscheiden.
Für die Entdeckung des Insulins erhielten der kanadische Mediziner Frederick Grant Banting (1891–1941) und der kanadisch-schottische Physiologe John James Richard Macleod (1876–1935) im Jahr 1923 den Nobelpreis für Medizin, welchen sie sich mit den beteiligten Forschern Charles Herbert Best (1899–1978) und James Bertram Collip (1892–1965) teilten.
Neben gewissen Sonderformen (wie auch dem Post-Transplantations-Diabetes) werden zwei klassische Typen von Diabetes unterschieden. Beim selteneren Typ-1-Diabetes (zirka 10 % aller Fälle) tritt aufgrund einer komplex verursachten Zerstörung der Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse (erbliche Veranlagung, Fehlsteuerung des Immunsystems, äußere Faktoren wie beispielsweise Virusinfektionen) ein absoluter Insulinmangel auf, weshalb diese Form auch als primär insulinabhängiger Diabetes mellitus bezeichnet wird.
Es fehlt sozusagen der Schlüssel, um den Traubenzucker in die Zellen zu schleusen. Diese Form des Diabetes tritt am häufigsten im Kindes- und Jugendalter auf (juveniler Diabetes) und zeigt häufig eine relativ rasche Krankheitsentwicklung. Da dieser Typ Diabetes nur selten mit Übergewicht vergesellschaftet ist, wurde im 19. Jahrhundert auch die Bezeichnung Diabete maigre (magerer Diabetes) verwendet.
Beim Typ-2-Diabetes (zirka 85 % der Fälle) besteht ein relativer Insulinmangel und diese Form wird daher als nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus bezeichnet. Der relative Mangel an Insulin ist zum einen dadurch bedingt, dass die Bauchspeicheldrüse zwar den Botenstoff noch in ausreichender Menge bildet, dieser aber nicht mit genügender Aktivität an den Organen (insbesondere Muskeln und Leber) wirken kann, da diese vermindert auf Insulin ansprechen.
In diesem Fall ist zwar der Schlüssel vorhanden, jedoch klemmt, bildlich gesprochen, das Schloss. Mediziner sprechen in diesem Fall von der so genannten Insulinresistenz. Zum anderen zeigt sich beim Typ-2-Diabetes auch eine Störung in der mengenmäßigen Freisetzung von Insulin nach den Mahlzeiten, die dem eigentlichen Bedarf nicht angepasst ist.
Da sich dieser Typ Diabetes häufig erst nach dem 40. Lebensjahr manifestiert, wird er umgangssprachlich auch Altersdiabetes genannt. Der Beginn ist hier meist schleichend und wichtige Risikofaktoren sind Übergewicht, Bewegungsmangel sowie Fehlernährung. Aus diesem Grund wurde der Typ-2-Diabetes früher auch als „Diabete gras“ (dicker Diabetes) bezeichnet.
Bei dieser Art von Diabetes kann zunächst mit einer Änderung des Lebensstils (gesunde Ernährung/Diät, Bewegung) versucht werden, die Zuckerstoffwechselsituation zu verbessern. Bei ausbleibendem Erfolg bestünde der nächste Schritt in der medikamentösen Behandlung mit Hilfe von Tabletten (orale Antidiabetika). Im weiteren Verlauf kann jedoch auch bei dieser Diabetes-Art die Insulinproduktion soweit zurückgehen beziehungsweise die Insulinresistenz soweit zunehmen, dass eine Insulintherapie notwendig wird.
Der Post-Transplantions-Diabetes mellitus (PTDM) – auch NODAT (New-Onset Diabetes mellitus After Transplantation) genannt – ähnelt in vielen Punkten dem Diabetes Typ 2 (Insulinresistenzund Insulinmangel). Die bekannten Risikofaktoren für den Diabetes Typ 2 erhöhen somit auch die Wahrscheinlichkeit, an einem Post-Transplantations-Diabetes zu erkranken.
Nach Transplantation kommt es durch die notwendige Immunsuppression zu bisher nicht exakt definierten Störungen im Regelkreis des Zuckerstoffwechsels, was bei einigen Patienten dazu führt, dass die Insulinreserve erschöpft und sich ein Diabetes manifestiert. Bei der Diagnosestellung ist allerdings zu bedenken, dass neben der immunsuppressiven Medikation auch andere Zustände wie begleitende Infektionen, Abstoßungen (mit Notwendigkeit eines Steroidstoßes) oder kürzlich erfolgte operative Eingriffe zu einer vorübergehenden Entgleisung des Zuckerhaushaltes führen können.
Einigen Studien zufolge muss in den ersten drei Jahren nach Transplantation jeder vierte bis fünfte Patient mit einer Störung im Zuckerstoffwechsel rechnen, wobei jedoch nur in wenigen Fällen eine Insulintherapie notwendig wird. Häufig lässt sich die Situation mit diätetischen Maßnahmen und/oder einer Behandlung mit oralen Antidiabetika ausreichend kontrollieren.
Gerade im Initialstadium des Diabetes Typ 2 oder auch des Post-Transplantations-Diabetes fehlen häufig typische Symptome. Eine nach Transplantation auftretende Zuckerstoffwechselstörung wird daher meist im Rahmen einer Routinekontrolle festgestellt. Klassische Diabeteszeichen beinhalten unspezifische Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Leistungsabfall sowie die bereits erwähnten Symptome: vermehrtes Wasserlassen, starkes Durstgefühl und Nachweis von Zucker im Harn. Da zuckerhaltiger Urin ein idealer Nährboden für einige Bakterien ist, treten bei Diabetikern auch gehäuft Harnwegsinfektionen auf. Weitere mögliche Merkmale sind eine unerklärbare Gewichtsabnahme, Heißhunger, Schwitzen, Störungen im Salzhaushalt mit nächtlichen Wadenkrämpfen, Neigung zu Hautinfektionen, Hautjucken und Gesichtsrötungen. Der häufig erwähnte Apfel- oder Azetongeruch des Atems findet sich häufig erst im fortgeschrittenen Stadium und meist bei Typ-1-Diabetikern.
Durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen wird ein nach Transplantation auftretender Diabetes in der Regel frühzeitig erkannt, so dass sich die Krankheit nur selten durch schwere Stoffwechselentgleisungen (diabetisches Koma) manifestiert. Eine möglichst frühzeitige Diagnose und Therapie sind wichtig, um Folgeschäden, die sich auch negativ auf das Transplantat auswirken können, zu verringern. Krankheiten, die aus dem langjährigen Bestehen eines Diabetes mellitus resultieren, haben vielfältigen Charakter.
So finden sich in den größeren Gefäßen verstärkt Kalkablagerungen, wodurch sich unter anderem das Risiko für einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall und für Durchblutungsstörungen im Becken-Bein-Bereich erhöht. An den Extremitäten, insbesondere im Bereich der Zehen oder Füße, kann die Minderversorgung zum Absterben von Gewebe und offenen Stellen führen, die nur sehr schlecht abheilen und sich häufig auch entzünden. Oft werden diese ansonsten sehr schmerzhaften Veränderungen aufgrund der zusätzlichen Nervenschädigung nicht richtig wahrgenommen, wodurch sich der Therapiebeginn erheblich verzögert und eine Heilung dann oft nur noch durch einen chirurgischen Eingriff möglich ist (diabetisches Fußsyndrom).
Die Nervenschädigung kann auch Leitungsbahnen im autonomen Nervensystem betreffen, was beispielsweise Störungen der Magen-Darm-Beweglichkeit hervorrufen kann. Eine weitere Folgeerscheinung des Diabetes sind krankhafte Veränderungen im Bereich der kleineren Blutgefäße, die zu einer Schädigung der Netzhaut und somit zu einer Reduktion der Sehkraft führen können. Treten die Veränderungen an den kleinen Nierengefäßen auf, kann es über die Jahre zum fortschreitenden Funktionsverlust der Niere kommen, was schlimmstenfalls eine Dialysetherapie notwendig macht.
Eine ganze Reihe von beeinflussbaren und nicht-beeinflussbaren Faktoren begünstigt das Auftreten eines Diabetes mellitus nach einer Lebertransplantation. Besteht beispielsweise unter den Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister) ein Diabetes mellitus Typ 2, so ist auch das Risiko für einen Post-Transplantations-Diabetes aufgrund erblicher Faktoren erhöht.
Weitere mögliche Risikofaktoren sind eine bereits vor der Transplantation diagnostizierte gestörte Glukosetoleranz, Übergewicht, Bewegungsmangel, Fehlernährung, höheres Alter (> 40 Jahre), eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus sowie eine nach Transplantation auftretende Zytomegalievirus-Infektion. Auch die Art der Immunsuppression beeinflusst das Risiko, an einem Post-Transplantations-Diabetes zu erkranken. So ist schon länger bekannt, dass Cortison (z.B. Prednison, Prednisolon oder Methylprednisolon)dosisabhängig zu Störungen im Glukosestoffwechsel führt und eine Dosisreduktion mit einer entsprechenden Verbesserung der Stoffwechsellage einhergeht.
Änderungen der Kortisondosis sollten jedoch immer vorsichtig vorgenommen werden, da der bei einer Abstoßungsreaktion notwendige Kortisonstoß das Risiko für einen Post-Transplantations-Diabetes wiederum merklich erhöht. Auch Kalzineurin-Hemmer greifen in den Zuckerstoffwechsel ein, wobei in den meisten Studien Tacrolimus mit einem höheren Risiko für einen Post-Transplantations-Diabetes assoziiert war als Ciclosporin, bei gleichzeitig effektivem Schutz der Organe vor Abstoßungsreaktionen durch beide Substanzen.
Da auch hier Dosiseffekte eine Rolle spielen, sollten die Medikamentenspiegel regelmäßig kontrolliert und die Dosierung der aktuellen Situation angepasst werden (Minimierung der Immunsuppression im Verlauf nach Transplantation). Bei den Proliferationshemmern Sirolimus und Everolimus ist die Datenlage derzeit noch unklar. In einigen Studien verschlechterte sich nach einer Umstellung von Kalzineurin-Hemmern auf Sirolimus die Zuckerstoffwechsellage.
Die Antimetaboliten Azathioprin und Mycophenolsäure scheinen nach bisherigen Erkenntnissen eine vernachlässigbare diabetesfördernde Wirkung zu besitzen. Zusammenfassend muss betont werden, dass eine Anpassung der Immunsuppression mit dem Ziel, die Zuckerstoffwechsellage zu verbessern, nur nach gründlicher Abwägung der Vorteile und Risiken, und nur durch den behandelnden Transplantationsspezialisten unter entsprechender Kontrolle der Transplantatfunktion erfolgen sollte.
Wichtig bei der Transplantatationsnachsorge ist die regelmäßige Bestimmung der Nüchternzuckerwerte sowie des HbA1c-Wertes, der als so genanntes Blutzuckergedächtnis die Blutzuckerstoffwechselsituation der letzten acht Wochen widerspiegelt. Der HbA1c-Wert sollte alle drei Monate überprüft werden (Zielbereich < 7,0 %).
Spezielle Studien zu verschiedenen Behandlungsstrategien bei lebertransplantierten Patienten mit einem Post-Transplantations-Diabetes liegen derzeit noch nicht vor. In der Anfangsphase nach Transplantation ist häufig von Beginn an eine Insulintherapie notwendig, da der Zuckerstoffwechsel vor allem durch die noch hohen Kortisondosen mit Tabletten alleine nicht ausreichend kontrolliert werden kann.
Insbesondere bei Nüchternzuckerwerten von > 200 mg/dl ist die Insulintherapie als bevorzugte Therapiemodalität anzusehen. Bei Patienten mit stabilem Verlauf (einige Monate bis Jahre nach Transplantation), bei denen das Kortison und die übrige Immunsuppression bereits auf eine Erhaltungsdosis reduziert beziehungsweise das Kortison ausgeschlichen wurde, wird der gleiche Stufenplan empfohlen, der für die Behandlung des Typ-2-Diabetes gilt.
Erster und wichtigster Punkt ist der Abbau von etwaigem Übergewicht, was einerseits durch eine entsprechende Diät, insbesondere aber durch verstärkte körperliche Aktivität (spazieren gehen, Radfahren, Walking oder andere Sportarten) geschehen kann. Patienten, bei denen durch eine Änderung des Lebensstils keine ausreichende Besserung erzielt wird, müssen medikamentös behandelt werden, und zwar in der Regel zunächst mit Tabletten, im weiteren Verlauf gegebenenfalls auch mit einer Kombination aus mehreren Wirkstoffen.
Es können zumeist die üblichen oralen Antidiabetika in einer der aktuellen Lebertransplantat- und Nierenfunktion angepassten Dosis verwendet werden, wobei es jedoch einige Besonderheiten zu beachten gilt. Daher sollte die Therapie immer nur in Rücksprache mit dem Transplantationszentrum begonnen werden. Durch die korrekte Auswahl und Dosisanpassung der Diabetesmedikamente wird insbesondere eine Schädigung der Transplantatleber und ein Anhäufen des Wirkstoffs im Körper mit der Gefahr schwerer Unterzuckerungszustände vermieden.
Wichtig ist auch immer die Überprüfung möglicher Interaktionen mit der aktuellen Immunsuppression. Die derzeit hauptsächlich im Einsatz befindlichen Substanzgruppen zur Therapie des Diabetes in Tablettenform sind: Biguanide (z.B. Metformin), welche vor allem zu einer verzögerten Glukoseaufnahme aus dem Darm führen, Alpha-Glucosidasehemmer (z.B. Acarbose), welche die Aufspaltung der Nahrung in die einzelnen Zuckerbestandteile hemmen sowie Glitazone (z.B. Rosiglitazon), welche die Glukose-Aufnahme in die Zellen durch eine Erhöhung der Insulin-Empfindlichkeit verbessern. Hinzu kommen Substanzen, die eine vermehrte Freisetzung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse bewirken.
Hierzu zählen Sulfonylharnstoffe (z.B. Glibenclamid), Glinide (z.B. Repaglinid, Nateglinid) und DPP-4-Inhibitoren (z.B. Sitagliptin). Metformin sollte bei Patienten mit eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion aufgrund der Gefahr schwerer Stoffwechselentgleisungen nicht eingesetzt werden. Glitazone, die für ihren Wirkungseintritt 3–6 Wochen benötigen, dürfen bei Patienten mit Leberfunktionsstörungen nicht angewendet werden und führen häufig zu Wassereinlagerungen, weshalb das Medikament auch bei Herzinsuffizienz nicht angewendet werden darf. Zudem zeigte sich bei weiblichen Patienten ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche.
Aus diesem Grund sollte auch diese Substanzklasse nur zurückhaltend eingesetzt werden. Alpha-Glucosidasehemmer sind meist nur schwach wirksam und können zu einer Verstärkung bereits bestehender Magen-Darm-Beschwerden beispielsweise unter Immunsuppression mit Mycophenolsäure führen. Als Mittel der ersten Wahl gelten daher Sulfonylharnstoffe und Glinide. Zu den DPP-4-In-hibitoren liegen noch keine Daten zur Anwendung beim Post-Transplantations-Diabetes vor. Auch hier ist eine Anpassung der Dosis an die bestehende Leber- und Nierenfunktion wichtig.
Nicht immer kann der Diabetes mit Tabletten alleine ausreichend behandelt werden. In diesem Fall muss die Therapie durch Insulin ergänzt oder die Behandlung komplett auf Insulin umgestellt werden. Gerade in den ersten Monaten nach der Transplantation ist, wie bereits erwähnt, auch häufig direkt eine Insulintherapie angezeigt.
Die Behandlung wird heute grundsätzlich mit Humaninsulin oder den so genannten Insulinanaloga, welche sich vom körpereigenen Insulin nur geringfügig unterscheiden, durchgeführt. Beide Substanzklassen werden heute gentechnisch hergestellt, das heißt, der chemische Bauplan wird in Bakterien eingeschleust, die daraufhin die Substanz produzieren. Die früher verwendeten Rinder- oder Schweineinsuline werden routinemäßig nicht mehr eingesetzt. Diabetiker können das Insulin heute bequem mit hauchdünnen Nadeln und einem Insulin-Pen, der optisch einem Füller ähnelt, unter die Haut spritzen.
Die große Fülle der verschiedenen Insulin-Präparate setzt sich aus zwei Hauptgruppen zusammen: kurzwirksame Insuline und Verzögerungsinsuline. Bei den kurzwirksamen unterscheidet man Normalinsulin (auch Altinsulin genannt) und kurzwirksame Insulinanaloga. Als Verzögerungsinsuline (diese dürfen nur subkutan injiziert werden) kommen hauptsächlich die sogenannten NPH-Insuline (Neutrales Protamin-Insulin Hagedorn) und langwirksame Insulinanaloga zum Einsatz. Zusätzlich existieren Mischinsuline, bei denen ein kurz wirksames Insulin mit einem lang wirksamen kombiniert wird. Hierdurch werden sowohl ein schneller Wirkeintritt als auch eine lange Wirkdauer erreicht.
In einigen Fällen werden auch Insulinpumpen eingesetzt. Diese werden am Körper getragen und es wird über einen Katheter und einer unter der Haut liegenden Nadel kontinuierlich eine vorprogrammierte Insulinmenge zugeführt (Basalrate). Zu den Mahlzeiten wird dann jeweils per Knopfdruck eine zusätzliche Menge abgegeben (Bolus). Inhalative Insuline waren in Deutschland nur kurzzeitig erhältlich und sind aufgrund der mangelnden Akzeptanz und aufgrund ihrer Nebenwirkungen zwischenzeitlich wieder vom Markt verschwunden.
Der individuelle Insulin-Therapieplan sollte in Zusammenarbeit mit einem Diabetesexperten, dem Endokrinologen, festgelegt werden. Die klinische Erfahrung zeigt, dass Blutzuckerspitzen bei Transplantierten durch die morgendliche Einnahme der Immunsuppressiva meist nachmittags auftreten, weswegen sich die morgendliche Gabe eines Verzögerungsinsulins mit Wirkungsmaximum am Nachmittag recht gut bewährt hat.
Der Einsatz von Insulinanaloga wird derzeit kontrovers diskutiert und der Einsatz ist nicht zuletzt aufgrund der beschriebenen Nebenwirkungen wie Veränderungen des Augenhintergrundes und eines möglicherweise krebserregenden Potenzials gerade bei Transplantierten kritisch zu hinterfragen. Eine Insellzell- oder Pankreastransplantation stellt aufgrund des Entstehungsmechanismus des Post-Transplantations-Diabetes (relativer Insulinmangel) keine Alternative zur medikamentösen Therapie dar.
Patienten mit einem Post-Transplantations-Diabetes sollten unbedingt an einer Diabetikerschulung teilnehmen, bei der sie unter anderem die Technik der Blutzucker-Selbstkontrolle sowie Warnzeichen für eine Über- oder Unterzuckerung erlernen. Wesentlicher Bestandteil einer guten Diabetestherapie ist es, den Patienten darin zu bestärken, die vereinbarten Maßnahmen umzusetzen, was unter Medizinern auch als „Adherence“ (Einhaltung) bezeichnet wird. Das therapeutische Gesamtkonzept muss dabei immer wieder individuell angepasst werden, wobei dies nicht nur die medikamentöse Therapie, sondern auch wiederholte Schulungen, Ernährungsberatungen und regelmäßige Kontrolluntersuchungen betrifft.
Hierbei kann der Gesundheitspass Diabetes eine Hilfestellung sein, welcher als persönlicher Ausweis mit allen wichtigen Informationen zur Zuckerkrankheit gedacht ist. Mit dessen Hilfe kann man sich als Arzt und Patient schnell einen Überblick über die aktuelle Situation und eventuell anstehende Kontrolluntersuchungen machen. Unter anderem werden im Gesundheitspass folgende Informationen erfasst: Gewicht, Größe, Blutdruck, Blutzucker-, HbA1c- und Fettstoffwechselwerte, Fußinspektionen, Untersuchungen der Niere (Nierenwerte, Harnzucker, Eiweißausscheidung), des Augenhintergrundes, des peripheren Nervensystems, der großen Gefäße und des Herzens.
Der Post-Transplantations-Diabetes ist eine ernst zu nehmende Komplikation, die vielschichtige Ursachen hat. Gerade im ersten halben Jahr bis ein Jahr nach Transplantation, in dem noch hohe Dosen der Hauptimmunsuppressiva und Steroide verabreicht werden, sollte der Zuckerstoffwechsel engmaschig überwacht werden, um mögliche Störungen frühzeitig zu erkennen. Ein besonderes Augenmerk in der Prävention und Therapie des Post-Transplantations-Diabetes sollte dabei den nicht-pharmakologischen Maßnahmen (Diät, Bewegung) geschenkt werden. Regelmäßige Bewegung aktiviert den Stoffwechsel, stärkt das Herz-Kreislauf-System und beugt der Entstehung von Übergewicht vor beziehungsweise hilft dabei, bestehendes Übergewicht zu verringern. Dadurch verbessern sich Blutdruck-, Blutfett- und Blutzuckerwerte. So kann die Entstehung eines Post-Transplantations-Diabetes durch regelmäßige körperliche Aktivität durchaus verhindert werden oder zumindest dazu
führen, dass man weniger Diabetesmedikamente einnehmen oder spritzen muss. Bewegung fördert außerdem den Aufbau der Knochensubstanz und fördert die Körperwahrnehmung. Regelmäßige körperliche Aktivität hilft somit, Nebenwirkungen der immunsuppressiven Therapie effektiv abzumildern. Also, bleiben Sie in Bewegung!
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
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