Eine der Folgeerscheinungen der Leberzirrhose ist die Hepatische Enzephalopathie (HE), eine Hirnleistungsstörung mit unterschiedlichem Ausprägungsgrad. Symptome sind z.B. Müdigkeit, Unkonzentriertheit, erhöhtes Schlafbedürfnis, Unfähigkeit, leichte Rechenaufgaben zu lösen oder Zeitungsartikel zu verstehen, Orientierungsschwierigkeiten u.a. Die HE wird verursacht durch den gestörten Eiweißstoffwechsel der zirrhotischen Leber. Eine der Eiweißabbaustufen, das Ammoniak, kann nicht weiter abgebaut werden und lagert sich daher im Körper, vor allem im Gehirn, verstärkt ab und bewirkt dort eine neurophysiologische Störung mit den oben beschriebenen Folgen.
Studie zur Fahrtüchtigkeit bei Hepatischer Enzephalopathie
Wissenschaftler untersuchten jüngst, ob und ab welchem Schweregrad einer HE mit Defiziten gerechnet werden muss, die eine Fahreignung ausschließen.
In Deutschland leiden etwa 1,5 bis 2,5 Millionen Menschen an einer chronischen Lebererkrankung, die meist durch chronische Virushepatitis, Stoffwechselkrankheiten oder übermäßigen Alkoholkonsum verursacht wird. In Folge einer Leberzirrhose entwickelt sich häufig eine HE. In leichten Stadien bleibt sie oft unbemerkt, beeinträchtigt aber unter Umständen die Reaktionsfähigkeit und damit die Fahreignung betroffener Personen.
Überprüfung der Fahrtauglichkeit ausschließlich durch realen Fahrtest
Bisherige Untersuchungen lieferten sehr widersprüchliche Ergebnisse. Eine jüngst in der Fachzeitschrift Gastroenterology veröffentlichte Studie der Düsseldorfer Leberforscher unter Leitung von Prof. Dr. Dieter Häussinger kommt zu dem Schluss, dass eine objektivierbare Einschätzung der Fahreignung ausschließlich durch einen realen Fahrtest bei unterschiedlichen Stressbedingungen zu erreichen ist (Kircheis et al., Gastroenterology 2009; 137: 1706–1715). Die Prüfung der Fahrtüchtigkeit mit Computertests, wie sie zur Schweregradbeurteilung der HE ebenfalls Anwendung findet, ist nicht geeignet, um eine Fahrtauglichkeit im Einzelfall vorauszusagen. Eine generelle Verneinung der Fahrtauglichkeit von Patienten mit Leberzirrhose und mit leichter Enzephalopathie ist deshalb nicht gerechtfertigt, sondern bedarf der Überprüfung im Einzelfall durch einen Fahrtest.
Überdurchschnittliche Fehler beim Fahren schon bei leichter Hepatischer Enzephalopathie
Im Rahmen der Studie wurden 51 Patienten mit Leberzirrhose und mit unterschiedlichen Schweregraden der HE und 48 altersentsprechende Kontrollpersonen im Rahmen von realen Fahrtests in unterschiedlichen Belastungssituationen untersucht. Dabei wurde die auch von einem Fahrlehrer beurteilte individuelle Fahrleistung mittels eines mit multiplen Sensoren und Kameras ausgerüsteten Spezialfahrzeugs objektiviert.
Die Gruppenanalyse zeigte, dass bei Zirrhosepatienten im Vergleich zu der lebergesunden Kontrollgruppe in allen drei Testverfahren mit zunehmendem Krankheitsstadium schlechtere Fahrleistungen auftraten. Bereits Personen mit sehr leichter Enzephalopathie machten bei erhaltener Reaktionsgeschwindigkeit überdurchschnittlich viele Fehler beim Fahren, während mit zunehmender Enzephalopathie auch die Reaktionsgeschwindigkeit verlangsamt war. Im Einzelfall war auf der Grundlage der HE-Schweregradbeurteilung (West-Haven-Kriterien) keine sichere Voraussage über die Fahrtauglichkeit möglich. Bei 25 von 94 Patienten wurden abweichende Resultate zwischen der realen Fahrprobe und dem Urteil des Fahrlehrers und den Resultaten computerpsychometrischer Tests nachgewiesen.
Eigene Fahrleistung überschätzt
Erstaunlich war, dass Zirrhosepatienten bezüglich ihrer Fahrleistung unkritisch waren und diese überschätzten.
Fazit
Soweit sich die Frage der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs stellt, sollte daher immer ein Fahrtest unter realen Bedingungen mit einer Fahrlehrerbeurteilung erfolgen.
Die Studie wurde an der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführt.
Prof. Dr. Dieter Häussinger
Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie
Quelle: Pressemitteilung der Pressestelle - Universität Düsseldorf v. 27.10.2010
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