Das Budd- Chiari- Syndrom

Als Budd- Chiari- Syndrom bezeichnet man eine seltene Lebererkrankung bei der es zu einem Verschluss der Lebervenen kommt. Die Erkrankung hat ihren Namen von ihren Erstbeschreibern, George Budd 1845 und Hans von Chiari 1889, erhalten. Der Verschluss der Lebervenen betrifft bei dem klassischen Budd- Chiari- Syndrom bevorzugt die großen Lebervenen und wird heute von Erkrankungen, die die Verstopfung der kleinen Lebervenen betreffen, abgegrenzt.

Warum macht der Lebervenenverschluss krank?

Die Durchblutung der Leber stellt eine ganz besondere Situation dar und ist einzigartig im Vergleich zu allen anderen Organen. Die Leber hat neben dem Zufluss von sauerstoffreichem Blut aus den Leberarterien auch Blutzufluss über die Pfortader, die das nährstoffreiche Blut aus den Darmeingeweiden zur Leber transportiert.

Der Pfortaderblutfluss macht zwei Drittel der Gesamtdurchblutung der Leber aus. Das Blut wird dann in der Leber "verstoffwechselt" und über die Lebervenen zum Herzen transportiert. Kommt es zu einem Verschluss in den Lebervenen, kann das Blut nicht mehr zum Herzen abfließen. In der Leber entsteht ein Blutstau, der sich auf den Blutstrom der Pfortader fortsetzt, was als Pfortaderhochdruck bezeichnet wird. Durch den Blutstau werden die zahlreichen komplexen Stoffwechselfunktionen in der Leber gestört. Zu diesen Funktionen gehören die Bereitstellung von Verdauungssäften zur Verdauung der Nährstoffe, die Produktion von Eiweißen, besonders der Gerinnungseiweiße, die Bereitstellung von Energiestoffen und das Entgiften des Blutes.

Bei fortschreitender Lebergewebeschädigung entwickelt sich eine Narbenbildung mit der Ausbildung einer Leberzirrhose. Durch den Pfortaderhochdruck versucht das Blut über andere Wege abzufließen, so dass ein Umgehungskreislauf entsteht. Hierbei kommt es zu einer Vergrößerung der Milz, Ausbildung von Krampfadern an der Speiseröhre mit stellenweise lebensbedrohlichen Blutungen, Hämorrhoidenbildung, einer vermehrten Hautvenenzeichnung und einer Bauchwasserbildung (Aszites).

Was sind die Ursachen des Budd- Chiari- Syndroms?

Die Ursachen des Budd- Chiari- Syndroms sind sehr unterschiedlich. Man findet das Budd- Chiari- Syndrom bei Erkrankungen des Blut bildenden Systems oder bei Erkrankungen mit Störungen der Blutgerinnung, die mit einer erhöhten Thromboseneigung einhergehen. Auch werden hormonelle Ursachen und anatomische Besonderheiten diskutiert. Aber häufig bleibt die Ursache der Erkrankung ungeklärt.Die Erkrankung tritt meist im 3. bis 4. Lebensjahrzehnt auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Welche Beschwerden treten beim Lebervenenverschluss auf?

Eine typische Beschwerdesymptomatik besteht nicht. Da der Verschluss der Lebervenen rasch oder aber auch langsam entstehen kann, können die Beschwerden unterschiedlich sein. Bei einem raschen Verschluss der Lebervenen kann es zu einem plötzlichen Versagen der Leberfunktion kommen, welches eher selten ist. Häufiger findet man die klassischen Beschwerden des Pfortaderhochdruckes mit Bauchschmerzen, einer Leber- und Milzvergrößerung, einer Bauchwasserbildung, Blutungen aus der Speiseröhre oder Hämorrhoidalblutungen.

Wie kann man das Budd- Chiari- Syndrom feststellen?

Neben einer gründlichen körperlichen Untersuchung, die Hinweise auf eine Lebererkrankung ergeben kann, müssen moderne Diagnosegeräte eingesetzt werden. Mit der speziellen Ultraschalltechnik in Kombination mit einer Gefäßdoppler-untersuchung können die Leberdurchblutungsverhältnisse sehr genau untersucht und ein Lebervenenverschluss diagnostiziert werden. Auch die Computertomographie oder die Kernspintomographie sind sehr genaue Methoden, mit denen die Diagnose des Budd- Chiari- Syndroms gestellt werden kann. Daher kann man heute meist auf eine Kathetergefäßuntersuchung verzichten. Die Laborwerte der Blutuntersuchungen zeigen keine typischen Veränderungen für das Budd- Chiari- Syndrom.Ist das Budd- Chiari- Syndrom festgestellt, so ist auch eine Gewebeentnahme aus der Leber sinnvoll, um das Ausmaß der Lebergewebeschädigung genauer zu beurteilen. Wichtig ist immer, dass eine sorgfältige umfassende Abklärung der Ursache des Budd- Chiari- Syndroms auf eine zugrunde liegende Gerinnungsstörung, eine Blutsystemerkrankung oder eine Gefäßanomalie erfolgt.

Wie kann man das Budd- Chiari- Syndrom behandeln?

Die Behandlung des Budd- Chiari- Syndroms ist schwierig und richtet sich nach den klinischen Untersuchungsbefunden und der zugrunde liegenden Erkrankung. Grundsätzlich müssen nichtoperative, medikamentöse und operative Behandlungsformen in jedem Einzelfall genau überprüft werden. Eine medikamentöse Therapie mit einer Blut verdünnenden Behandlung kann bei einem rechtzeitig festgestelltem Budd- Chiari- Syndrom ausreichend sein. Zusätzlich kann diese Therapieform mit Gefäßkatheter-untersuchungen kombiniert werden, bei denen über Ballonkatheter eine Wiedereröffnung der Lebervenen erzielt wird oder Kurzschlüsse zwischen Lebervenen und den großen Pfortaderästen mit speziellen Gittergefäßprothesen hergestellt werden.

Häufiger sind jedoch operative Behandlungen beim Budd- Chiari notwendig. Wie Umgehungsoperationen, sogenannte Shuntoperationen, Leberteilentfernungen oder aber eine Lebertransplantation. Eine Shuntoperation würde man bei einer gesunden Leber ohne Zirrhosezeichen eher in Erwägung ziehen. Für eine Lebertransplantation würde man sich eher bei fortgeschrittener Leberschädigung durch das Budd- Chiari- Syndrom entscheiden.Das Prinzip der Shuntoperation ist die Senkung des Pfortaderhochdruckes durch das Herstellen einer Umgehungsgefäßverbindung zwischen der Pfortader und der unteren großen Körperhohlvene. Diese kann technisch unterschiedlich durchgeführt werden. Es gibt Operationsformen, bei denen eine direkte Verbindung zwischen der Pfortader und der Hohlvene hergestellt oder eine Gefäßprothese zwischen beide Gefäße eingebracht wird . In besonderen Fällen können auch Verbindungen zwischen der Pfortader und dem Herzen über eine Gefäßprothese hergestellt werden. In Einzelfällen kann auch eine Leberteilentfernung durchgeführt werden, bei der das Lebergewebe mit den verschlossenen Lebervenen entfernt wird und die Leber direkt an das Herz genäht wird. Bei der Lebertransplantation wird die gesamte erkrankte Leber entfernt und durch eine neue Leber ersetzt. Von allen Erkrankungen die zu einer Lebertransplantation führen, ist das Budd- Chiari- Syndrom eher ein seltener Grund.

Bei Unmöglichkeit einer Shuntoperation, einer Leberteilentfernung oder einer Lebertransplantation kann man zur Verbesserung einer sonst nicht mehr behandelbaren Bauchwassersucht einen Katheter von der Bauchhöhle in die obere Hohlvene platzieren, der das Bauchwasser zurück in den Blutkreislauf pumpt.

Was kann trotz einer Behandlung passieren?

Für alle Behandlungsformen gilt es eine erneute Verstopfung der Lebervenen zu verhindern. Deshalb ist eine konsequente Blut verdünnende Therapie mit Medikamenten wie z. B. Marcumar® unerlässlich. Trotz dieser Therapie kann es zu einem erneuten Verschluss der Lebervenen kommen, so dass nach anfänglich nicht operativem Versuch eine Operation notwendig werden kann. Bei den Shuntoperationen und einer Lebertransplantation kann es ebenfalls zu einem erneuten Verschluss trotz der Blut verdünnenden Medikamente kommen. Unmittelbar nach der Operation bestehen unter der notwendigen Blutverdünnung erhöhte Risiken für eine Nachblutung. Was passiert ohne Behandlung?

Ohne eine Behandlung des Budd- Chiari- Syndroms kann es im Verlauf zu den typischen Komplikationen eines Pfortaderhochdruckes mit einem chronischem Leberversagen kommen. Meist versterben die Patienten an den Blutungskomplikationen des Pfortaderhochdruckes.

Eigene Erfahrung:

Im Zeitraum von 1982 bis 2000 wurden an der Medizinischen Hochschule Hannover 65 Patienten wegen eines Budd- Chiari- Syndroms chirurgisch behandelt. Das Durchschnittsalter betrug 39,9 Jahre (12-61 Jahre). Frauen waren häufiger von der Erkrankung betroffen als Männer (52 Frauen zu 13 Männern). Die Ursache für das Budd- Chiari- Syndrom war in 40% der Fälle eine Störung des Blut bildenden Systems, in 14% eine angeborene Gerinnungsstörung , in 17% lagen andere Ursachen vor und bei 30% konnte keine Ursache aufgedeckt werden.Bei 30% der Frauen konnte die Einnahme der Antibabypille als eine mögliche Zusatzursache anamnestisch (krankengeschichtlich) festgestellt werden [TAB.1].

URSACHEN DES BUDD- CHIARI- SYNDROMS
PATIENTEN (N=65)
ERKRANKUNG DES BLUT BILDENDEN SYSTEMS 26 (40%)
Myeloproliferatives Syndrom 24
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie 2
ANGEBORENE GERINNUNGSSTÖRUNG 9 (14%)
Protein C Mangel 3
Protein C + s Defekt 5
AT III Mangel 2
ANDERE 11 (17%)
Membranöser Cava Flap 1
Knochenmarktransplantation 1
UNBEKANNT 19 (30%)
TAB. 1


Von den 65 Patienten mit einem Budd- Chiari- Syndrom wurde bei 55 Patienten eine Lebertransplantation durchgeführt. Bei 45 Patienten erfolgte die Therapie durch eine alleinige Lebertransplantation und bei zehn Patienten nach einer nicht ausreichend erfolgreichen chirurgischen Ersttherapie wie der Shuntoperation oder Stenteinlage. Eine Zweitlebertransplantation war bei zwölf Patienten notwendig, ein Patient wurde dreii mal lebertransplantiert.

Bei insgesamt 18 Patienten wurde eine portosystemische Shuntoperation (TIPS) durchgeführt. Acht von den 18 Patienten mussten nachfolgend vornehmlich wegen eines akuten Leberversagens transplantiert werden. Bei drei von den zehn Patienten war die alleinige Shuntoperation als chirurgische Therapie längerfristig erfolgreich [TAB.2].

CHIRURGISCHE THERAPIE DES BUDD- CHIARI- SYNDROMS
ANZAHL
LEBERTRANSPLANTATION (LTX) 55
LTX OHNE VOROPERATION 45
LTX NACH VOROPERATION/INTERVENTION 10
RETRANSPLANTATION 12
SHUNTOPERATION INSGESAMT 18
SHUNT OHNE LTX 10
SHUNT UND LTX 8
TAB. 2

Alle Patienten erhielten postoperativ eine therapeutische Antikoagulation mittels Heparin mit einer später durchgeführten "Marcumarisierung". Die lebertransplantierten Patienten erhielten eine Standardimmunsuppression, die sich nicht von der anderer lebertransplantierter Patienten unterschieden hat. Postoperative Komplikationen bestanden in der Mehrzahl in septischen Problemen bis zum Mehrfachorganversagen. Von den 65 Patienten haben bis heute 36 Patienten überlebt. Die 10 Jahres- Überlebensrate beträgt nach Lebertransplantation insgesamt 58%, bei alleiniger Lebertransplantation sogar 80% und nach alleiniger Shuntoperation 32% (ABB. 1).

Ein erneutes Auftreten eines Budd- Chiari- Syndrom wurde bei zwei Patienten nach Lebertransplantation beobachtet. Ein Patient konnte erfolgreich durch eine konservative Therapie behandelt werden. Ein anderer Patient verstarb zwei Jahre nach Lebertransplantation und erneutem Budd- Chiari- Syndrom an den Folgen einer erneuten Leberoperation. Bei drei von vier Patienten finden sich Zeichen einer moderaten Funktionseinschränkung des Lebertransplantates auf dem Boden einer chronischen Virushepatitisinfektion. Alle anderen Organe zeigen eine uneingeschränkt gute Funktion.

Zusammenfassung

Das Budd- Chiari- Syndrom ist eine seltene Erkrankung. Im klassischen Sinne ist das Syndrom durch einen Verschluss der großen Lebervenen gekennzeichnet und sollte heute von anderen Lebererkrankungen, die eine Verstopfung der kleinen Lebervenen verursachen, oder von Erkrankungen, die mit einem Verschluss der unteren Hohlvene einhergehen, abgegrenzt werden. Mit den modernen Bild gebenden Verfahren kann die Diagnose meist sicher gestellt werden. Eine zusätzliche Lebergewebeprobe ist wünschenswert, aber deren Aussagefähigkeit darf nicht überbewertet werden.

Beim Vorliegen eines Budd- Chiari- Syndroms ist immer nach der Grunderkrankung zu suchen wie Störungen des Blut bildenden Systems, angeborene Gerinnungsstörungen, Gefäßanomalien oder andere. Die Behandlung ist schwierig und die Wahl des richtigen therapeutischen Vorgehens ist in jedem Einzelfall genau zu überprüfen.

Die Entscheidung zwischen Shuntoperation bei Pfortaderhochdruck und stabiler Leberleistung oder einer Lebertransplantation beim Vorliegen einer eingeschränkten Leberleistung bei Leberzirrhose ist im klinischen Alltag häufig nicht einfach zu treffen. Alle operativen, interventionellen und auch die konservativen Verfahren haben sich im Einzelfall als effektiv erwiesen und sollten als gemeinsames Therapiekonzept für jeden Patienten in das Kalkül gezogen werden. Im eigenen "Krankengut" handelte es sich meist um fortgeschrittene Erkrankungen, die nicht mehr durch andere Verfahren als die Lebertransplantation zu therapieren waren.


Thomas Becker, Margarete Müller, Björn Nashan, Jürgen Klempnauer

Medizinische Hochschule Hannover

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