Unterschiedliche Perspektiven – das Fachpflegesymposium für Organspende der Uniklinik Leipzig

Die Universitätsklinik Leipzig lud am 15. August 2025 Pflegefachpersonen aus Intensivmedizin, Anästhesie, Operationspflege und Notaufnahme zum inzwischen jährlich stattfindenden Fachpflegesymposium zu den Themen Transplantation und Organspende ein. Wir als Ansprechpartner des Vereins der Lebertransplantierten aus Leipzig, Jena und Lübeck unterstützten den fachlichen und zum Teil emotionalen Austausch. 

In diesem Jahr lag der Fokus auf ethischen und religiösen Aspekten der Organspende und die Rolle der Pflege in diesem sehr sensiblen Prozess. Erfolgreiche Transplantationen sind ohne eine engagierte, sorgfältige und spezialisierte pflegerische Versorgung potentieller Organspender*innen nicht möglich. In den angebotenen Vorträgen wurden neben den klinischen Aspekten und Anforderungen auch besonders Fragen und Gedanken zu Würde, Haltung, Hoffnung, Zweifeln, Aufklärung, Trost, Sensibilität und dem Umgang miteinander besprochen. Beispielsweise wurde diskutiert, wie gehe ich würdevoll mit dem Organspender um, wie zeigen wir unseren Respekt (z.B. Walk of Honor zum OP-Saal), wie begleiten wir Angehörige, wie halten wir unsere Menschlichkeit zwischen all der Technik, den Zahlen und Statistiken und der koordinativen Leistung. Für das medizinische Personal ist eine Organentnahme keine Operation wie jede andere, sondern auch sehr emotional besetzt. Pflegekräfte wünschen sich daher nach einer Organentnahme nicht sofort in die nächste OP laufen zu müssen, sondern einen Moment des Innehaltens dafür, was da gerade passiert und geleistet wurde von allen Beteiligten. 

An unserem Infostand konnten wir andererseits als Transplantierte von unseren Erfahrungen als Patienten und zum Leben mit einem Spenderorgan berichten. Eine sehr besondere Perspektive bot unsere Ansprechpartnerin Nathalie Flux aus Lübeck. In ihrem Vortrag beschreibt sie punktgenau aus Sicht der Krankenschwester, was im arbeitsintensiven Krankenhausalltag in der Versorgung der Patienten zunehmend verloren geht und gleichzeitig für sie als transplantierte Patientin für ihre Genesung und somit für den Erfolg der Behandlung so wichtig war. 

Leben geschenkt – aber was hätte ich mir gewünscht?
Vortrag von Nathalie Flux zum Fachpflegesymposium Organspende am Uniklinikum Leipzig

Ich heiße Nathalie Flux, bin jetzt 50 Jahre alt und auch schon Oma eines schnuckeligen Enkels, bin seit mittlerweile über 30 Jahren Krankenschwester, davon schon immerhin 16 Jahre als Pflegedienstleitung tätig, mit ein paar weiteren Herzensangelegenheits-Qualifikationen. 
Ich bin aber auch eine Patientin seit 2019 und davor bereits, als ich 1,5 Jahre auf der Warteliste zur Lebertransplantation stand. Gleich vornweg, eine PBC war die Ursache, nicht der Alkohol! Das zu betonen, fühle ich mich immer noch verpflichtet. Denn nicht alle wissen, dass es auch noch andere Ursachen einer Leberzirrhose gibt. Das betrifft Menschen außerhalb von Pflege & Medizin, aber auch innerhalb.

Ich bin nicht so dumm und stelle mein Überleben hinter die Aussage “was ich mir gewünscht hätte”. Aber dennoch, gibt es aus der Sichtweise der Krankenschwester-Patientin wahrlich Punkte, die ich wieder oder auch erstmalig wachrütteln möchte: ich habe sie kennengelernt, andere nicht. Viele andere nutzen sie auch schon längst. Und diese Punkte haben ganz schwer mit Kommunikation, mit Achtsamkeit zu tun. Mit dem Verständnis für das Zwischenmenschliche innerhalb der Professionalität. Also mit dem Blick auf das Menschliche in einem Patienten und nicht auf die Diagnose allein (“die Leber in Zimmer 4”). Mein langfristiges Ziel ist es, Informationen zusammentragen zu können, von Patientenerlebnissen (was hätte ich mir gewünscht) aber auch von den im Organspendeprozess beteiligten Fachkräften oder auch den in der Transplantationspflege (Ambulanz und Station) beteiligten Fachkräften, Informationen rund um “was habe ich mir schon immer gewünscht, was fehlt mir noch, um etwas besser zu verstehen, besser damit umgehen zu können”, um daraus Inhouse Schulungen zu bauen. Auch als Re-Zertifizierungskurse für die Transplantations- und Organspendeausbildung.

Kommunikation und Achtsamkeit, aber wie? Meine Erlebnisse, sind aktuell ausschlaggebend. Nicht falsch verstehen, ich habe heute noch wunderschöne, sehr enge Beziehungen zu meinen Tx-Versorgern. Ich verdanke diesen Menschen mein Leben und auch Überleben. Und das zeigt sich auch jedes Mal, wenn ich in die Ambulanz komme, mein Körper reagiert ganz stark emotional: Hyperton.

Aber es fing schon an, mit dem Zeitpunkt meiner Diagnosestellung, der Leberzirrhose. Nachdem ich nachts in die Notaufnahme kam, wegen einer deftigen Oesophagusvarizenblutung, in der Visite die Frage mehrfach fiel: wie viel trinken Sie. Ich trinke nicht. WIE VIEL trinken Sie? 
So, wenn sie zum Arzt gehen, und der fragt Sie, ob Sie rauchen, was sie mit Nein beantworten (so wie ich es tue), glaubt Ihnen das JEDER Arzt. Verneinen Sie aber auch die Frage nach Alkoholkonsum (so wie ich es tue), glaubt Ihnen das erstmal keiner...! Wie hätte ich mich denn rechtfertigen sollen? 
Das ich nicht rauche, kein Problem, nicht zu trinken? Schiefer Blick. Warum? Ich rauche nicht, ich trinke nicht und ob ich Alkohol konsumiere, kann man schließlich auch anders testen, richtig? Richtig! Kann man diese Frage nicht anders stellen? Muss es gleich einen anschuldigenden Ton innehaben? Gibt es keine weiteren Diagnosen, die eine Leberzirrhose verursachen? Kann man mir nicht glauben? Finden Sie den Fehler?

Aber es geht weiter mit meinen Ideen und Wünschen:

  • Als ich meine Diagnose bekam, auch als KS, die weiß, was Leberzirrhose bedeutet..., ich habe gegoogelt.
  • Als ich auf die Warteliste kam, die Evaluation durchlief, ich habe gegoogelt.

Ahnen Sie, was ich fand? Nur Negatives, aber nichts Informatives. Damals bekam ich leider auch nichts Informatives von der Ambulanz.

  • Bitte. Es gibt Selbsthilfegruppen. Vermitteln Sie. Nicht einfach nur Flyer oder Visitenkarten verteilen. Wir sind schon mit unserem möglichen Ableben (ich war damals 41) dermaßen überfordert, nicht jeder von uns kann sich anderen gegenüber plötzlich öffnen. Wir wüssten ja gar nicht was wir sagen sollen. Wir würden uns nicht melden…
  • Besser wäre es, wenn man einen Termin mit einem Ansprechpartner zum nächsten Kontrolltermin in der Ambulanz vereinbart. Mit Ansprechpartnern wie ich es bin. Wir sind geschult, mit solchen Menschen zu interagieren. Denn oft möchte man als frisch „Verurteilter“, Menschen treffen, die das auch alles erlebt und überlebt haben. Denen können wir uns im direkten Kontakt gegenüber öffnen. Weil die Ansprechpartner erst einmal erzählen. Wichtig, mega wichtig. Für die Seele und den kranken Körper eine viel bessere Unterstützung als Google.
  • Schlussendlich wissen wir alle, je besser situiert (körperlich & psychisch stabil) ein Patient in eine Transplantation geht, desto besser ist das Outcome.
  • Je besser er vorbereitet und aufgeklärt wird, desto besser kann er sich vorbereiten.
  • Compliance und Adhärenz, kennen Sie? Das kann nur beginnen, wenn Aufklärung zuvor intensiv betrieben wurde. Langfristige Einsicht, Einverständnis, Kooperationsbereitschaft und Motivation für langfristigen Erfolg führt zur langfristigen Einhaltung von gemeinsam gesetzten Therapiezielen.
  • Die Visiten. Meine Güte! Selbst wo ich es als Krankenschwester gewohnt bin, Visiten zu begleiten, dabei Informationen weiterzugeben. Aber, Alter Schwede, wenn man da als angegriffener, kraftloser Patient liegt, noch in restlicher Benebelung nach 3 Vollnarkosen in 3 Tagen, können Sie sich vorstellen wie überfordernd es ist, “mein Zimmer” vor lauter anwesenden Ärzten bersten zu sehen, die sich über mich hinweg unterhalten, mit Fachbegriffen um sich werfen, die ich nicht verstehe, denn ich habe nie auf einer Transplantationsstation gearbeitet. Das muss verändert werden!
  • Bitte keine gestressten oder genervten Gesichter, wenn man das Patientenzimmer betritt. UNS geht es nicht gut, wir brauchen jetzt keinen Stress, den wir nicht ändern können, den wir aber empfangen. Wir möchten uns nicht schuldig fühlen, wenn wir klingeln und der erste Satz eine Rechtfertigung ist à la „ist so viel los, zu wenig Personal“. Das hat nichts im Patientenzimmer zu suchen, solche Äußerungen und auch Mimik hat vor der Tür zu bleiben. Denn wir allen haben bestimmt schon einmal den Satz gehört: Lachen heilt!

Ja, genau, wir fühlen uns doch schon schlecht, bitte vergessen Sie in all der qualitativ hochwertigen Arbeit nicht, dass wir ein Lachen brauchen, um zu heilen. Was ich erlebt habe, hat meinem Körper geholfen zu heilen, hat aber auch meine Seele heilen lassen.

Denn ich hatte irgendwann auf Normalstation meinen psychischen Einbruch, als ich realisierte, ich habe überlebt!!!! Ich, die sonnige Frohnatur schlechthin, habe Rotz und Wasser geheult, zum für das Stationspersonal ungünstigsten Zeitpunkt. Als die Fachkraft alleinexaminiert für 2 Etagen zuständig war, kurz zuvor eine Reanimation im Nachbarzimmer stattfand (jaaa, die Wände sind dünn). Trotzdem saß sie über eine halbe Stunde an meinem Bett, hat mich in ihre Arme genommen und hat mich einfach nur hin und her gewogen, wie ein Kleinkind.

Zwischenmenschliche Prioritäten gesetzt, für mich eine absolute Pflegeprofession.

  • Für UNS Patienten ist es immens schön, wichtig, Seelenbalsam:

Wir möchten durch ein Lächeln, durch 2 fröhliche Worte aufgemuntert werden und vor allem wahrgenommen werden. 2 Minuten, wissen Sie wie lang 2 Minuten sind? Wie viel zwischenmenschliche Kommunikation da stattfinden kann? Lachen, Fröhlichkeit, Kurz innehalten, den Patienten anschauen und nur zuhören, Keinen Stress zeigen. Ein Augenzwinkern im Türrahmen zugeworfen? Wie herrlich. Pneumonie-Prophylaxe mit Activ Gel auf meinem Rücken, mit sanft massierenden Bewegungen: haben Sie eine Vorstellung davon, wie angenehm das ist, wenn Sie nur auf dem Rücken liegen können?

  • Zum Schluss noch einige Ideen: Ohne dieses Foto meines Sohnes, wie ich auf Intensiv liegend aussah, ich hätte nichts aus diesen ersten drei Tagen. 3 Tage, 3 Vollnarkosen. Ich habe quasi Null-Komma-Drei Erinnerungen an diese Zeit. 

Lassen Sie Fotos machen, erinnern Sie an Fotos. Ja, nicht alle können das vielleicht sehend ertragen, aber es hat gaaaanz viel mit Überlebensverarbeitung zu tun. Sich so auf Intensivstation sehen und sich nachher in Reha damit vergleichen zu können:

Ja, ich habe überlebt. Begreifen = Heilungsprozeß = Adhärenz+Compliance! 

  • Die Empfehlung aussprechen, ein Erinnerungsalbum anzulegen. 
  • Praktische Tipps, wie:
  • Eine Sport Swatch zu tragen, die mich an die rechtzeitige Einnahme meiner Immunsuppressiva erinnern
  • Kontaktgruppentreffen von Selbsthilfegruppen besuchen
  • Kann ich noch in Urlaub fahren? Und was muss ich dann beachten? Ich suche z.B. immer am Zielort heraus, wo das nächste Krankenhaus mit zumindest Gastroenterologischer Abteilung ist.
  • Ernährung, ein wichtiger Aspekt!
  • Hygiene besonders im 1. halben Jahr, auch z.B. die Küchenhygiene oder warum wäre es dann wichtig, einen eigenen Strohhalm in Restaurants, Cafés mitzunehmen?

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Ideen zukommen ließen, um Sie in die Weiterbildung und auch Schulungen, implementieren zu können. Vielen Dank.

Meine Kontaktdaten: nathalie.flux(at)lebertransplantation.de

Text: Christine Wehling, Nathalie Flux und Ingrid Tietze
Bilder: privat (Flux, Urban und Tietze)

Kontakt

Lebertransplantierte Deutschland e.V.
Montag - Freitag 9:00 bis 13:00 Uhr 

Telefon: 02302/1798991
Fax: 02302/1798992

E-Mail: geschaeftsstelle(at)lebertransplantation.de

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