Bünde/Minden
"Wir sollten nie aufhören, zu neuen Zielen aufzubrechen. Doch am Ende unserer Erkundung sind wir plötzlich wieder da, wo unsere Reise begann und wir meinen zum ersten Mal hier zu sein." (T.S.Eliot)
Am 22. Oktober 2016 hat unser Verband Lebertransplantierte Deutschland e.V. in Zusammenarbeit mit der Paritätischen Selbsthilfe Minden-Herford, der AOK Herford, der BKK Melittta Plus Minden und der IKK Classic Herford einen Fachtag unter dem Motto "Niemand ist alleine krank" ausgerichtet. Der Fachtag betrachtete die besondere Situation von Angehörigen chronisch Kranker und stellte das Thema für Angehörige wie für Aktive der Selbsthilfe in den Mittelpunkt.
Nach der Begrüßung und den Dankesworten an alle Beteiligten begann Frau Schneidereit-Mauth, Psychotherapeutin, mit ihrem Vortrag "Keiner Fragt, wie es mir geht". Neben der besonderen Situation von Angehörigen wurde auch auf das Thema "Salutogenese", sprich: Ressourcenorientierung in der Selbsthilfe eingegangen. Immer mehr geht der Blick weg von den Einschränkungen und geht hin zu den Möglichkeiten, die man hat.
An einem bildlichen Beispiel nach dem israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky wird nicht mehr gefragt, warum ein Schwimmer in einen reissenden Fluss gelangt ist und wie man ihn schnell wieder herausbekommt, sondern vielmehr, was notwendig ist, damit der Schwimmer besser schwimmen lernt, um in dem Fluss, der nun als Strom des Lebens angesehen wird, zu überleben. Ein weiterer Punkt ist, dass dieses aber nur gelingen kann, wenn der Mensch bereit dazu ist. Gerade im frühen Stadium, wenn die Diagnosen frisch und die Gefühle noch aufgewühlt sind, ist es wichtig diese auch ernst zu nehmen. Wir vergessen leider viel zu oft, das eine Diagnose oder ein neuer Lebensumstand auch Zeit brauchen, um wirklich verstanden zu werden. Dieses gilt natürlich für Betroffene wie für Angehörige. Hier ist es erst einmal wichtig, die Menschen in ihrem Gefühl wahrzunehmen und ihnen hierfür auch den notwendigen Raum und die notwendige Zeit zu geben, die sie benötigen. Vorhandenes stärken, um Benachteiligtes zu unterstützen, ein spannendes Thema, welches auch ausführlich in dem Buch von Frau Schneiderreith-Maut behandelt wird.
Der zweite Vortrag von Frau Aupperle, Systemische Beraterin (SG), betrachtete das Thema "Achtsamkeit". Achtsamkeit kann bedeuten, in Balance bleiben mit sich selbst, und dadurch aussergewöhnliche Situationen besser zu beherrschen und sich mehr zuzutrauen. Dieses kann jeder durch kleine Übungen in seinen Alltag einbauen. Eine Miniübung kann zum Beispiel während des Duschens stattfinden: Man spürt bewusst das Wasser auf der Haut, hört das Plätschern des Wassers, nimmt die Wärme wahr. Im Augenblick präsent sein: ‚ Alles ist gut so wie es ist, und ich kann es bewusst und im Jetzt annehmen.‘ Es gibt aber natürlich auch weitere Übungen, wie ein audiogeführter Spaziergang am Strand, der jederzeit auf dem heimischen Sofa mit einem CD-Spieler erlebt werden kann. Ziel ist ein Bodyscan, um sich den Fragen zu öffnen:
Um es mit Pablo Picassos Worten zu sagen: "Ich suche nicht - ich finde" (Je ne cherche – je trouves). Gehe ich "auf die Suche", suche ich etwas, was ich wahrscheinlich bereits kenne, möchte ich „etwas finden“, bin ich bereit für etwas Neues in meinem Leben.
Nach den Vorträgen ging es in eine kleine Pause mit ersten Gesprächen und Austausch, um anschließend im Workshop beide Themen weiter zu vertiefen.
Frau Schneidereit-Mauth ging in ihrem Workshop auf das Thema "Die Macht der inneren Bilder" ein. Chancen und Grenzen der Imagination wurden anhand von Bildern dargestellt und machten deutlich, dass ein inneres Bild, welches wir uns vorstellen, viel bewirken kann, dass es aber natürlich auch hier Grenzen gibt.
Frau Aupperle hat uns in ihrem Workshop auf eine Schnuppereinheit "Achtsamkeitstraining" mitgenommen. Nach abklatschen des ganzen Körpers verweilten wir bei leichter Musik und wurden durch Frau Aupperle mit ihren Worten durch unseren Körper geführt, wobei auch hier das Erleben und Fühlen im "Jetzt" wichtig ist. Alles ist gut so wie es ist, alles darf sein und es fühlt sich letztlich richtig an.
Neu zusammengefunden wurden nun kleine Gruppen gebildet, die Fragen rund um das Thema Angehörige von chronisch Kranken beleuchteten. An jedem der vier Tische, wurde ein Frage gestellt, die jede Gruppe beantworten, diskutieren und aufschreiben konnte. Nach kurzer Zeit wechselten die Gruppen die Tische und damit die Frage. Es wurden viele Ansätze gefunden und so manches persönliche Gespräch konnte trotz der knapp bemessenden Zeit geführt werden.
Die Reflexion des Fachtages wurde mit der "Fünf-Finger-Evaluation" durchgeführt, in dem jeder Teilnehmer anhand von fünf Fragen den Fachtag bewerten durfte:
Daumen: "Was fand ich toll"
Zeigefinger: "Darauf möchte ich noch einmal zeigen"
Mittelfinger: "Stinkefinger, das hat mich genervt"
Ringfinger: "Das war mein Schmuckstück"
kleiner Finger: "Das ist mir zu kurz gekommen"
Erfreulicherweise gab es kaum Kritik an Ausführung und fachlicher Ausarbeitung, viel mehr wurde der Tag von allen dankbar angenommen. Als besonders gelungen wurden die Vorträge empfunden, als Schmuckstück des Fachtags wurden die Kontakte unter den Angehörigen mit dem persönlichen Austausch benannt. Ein spannender, informativer Fachtag, der in diesen paar Worten nicht vollumfänglich wiedergegeben werden kann, vieleicht aber Anregungen zum eigenen Weiterlesen gibt.
Für mich zeigte es sich wieder durch das Gehörte und Erlebte, wie wichtig und vielschichtig dieses Thema "Angehörige" ist. Spannend ist, dass durch diesen Fachnachmittag Altes in neuem Licht erscheint und neue Horizonte sich öffnen. Was bleibt sind die Impulse und Gedanken aus dem Gehörten und Erlebten mitzunehmen, diese zu reflektieren und in meine Arbeit einzubringen, dass ist aber eine andere Geschichte.
Danke, dass sie meinen Bericht gelesen haben und lassen Sie uns neugierig bleiben.
Jörg Hülsmann
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
Montag - Freitag 9:00 bis 13:00 Uhr
Telefon: 02302/1798991
Fax: 02302/1798992
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