Leberbiopsie - notwendiges Übel oder verzichtbar?

Für die Beurteilung unklarer Lebererkrankungen haben sich in den vergangenen Jahren einige neue diagnostische Möglichkeiten etabliert, die eine Leberbiopsie in vielen Fällen überflüssig machen. Viele Lebererkrankungen können inzwischen anhand von Blutwerten diagnostiziert werden. Die Verbesserung der bildgebenden Verfahren mit Kontrastmittel (kontrastmittel-verstärktes Ultraschall, Computertomographie, Magnetresonanztomographie) erlaubt in vielen Fällen die zuverlässige Diagnose einer Leberzirrhose. Auch können in vielen Fällen alleine anhand der Bildgebung gutartige von bösartigen Lebertumoren aufgrund ihres Kontrastmittelverhaltens unterschieden werden. Darüber hinaus stehen einige neue, nicht-invasive Verfahren für die Beurteilung des bindegewebigen Umbaus der Leber (Fibrose) zur Verfügung. Hierzu zählt beispielsweise die Ultraschall-Elastographie (z.B. Fibroscan), eine Ultraschalluntersuchung mit einer speziellen Ultraschallsonde, die die Lebersteifigkeit bestimmt, welche sehr gut mit dem Fibrosegrad korreliert. Die Beurteilung des Fibrosegrades ist inzwischen auch durch spezielle Blutuntersuchungen möglich, z.B. mit Hilfe des ELF-Tests (Enhanced Liver Fibrosis). Im Rahmen dieses Tests werden drei Blutwerte nach einer patentierten Formel unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht in einen Punktewert umgerechnet, dessen Höhe sehr gut mit dem Grad der Fibrose und dem weiteren klinischen Verlauf übereinstimmt.   

Eine Leberbiopsie ist trotz verbesserter Bluttests und bildgebender Diagnoseverfahren jedoch noch immer die aussagekräftigste Untersuchungsmethode für die Beurteilung unklarer Lebererkrankungen oder von umschriebenen Lebertumoren. Durch die Entnahme eines kleinen Gewebezylinders aus der Leber können Informationen über die histologische Struktur, den Grad der Leberschädigung (Fibrosegrad) oder Leberverfettung gewonnen werden. Eine Leberbiopsie dient somit der eindeutigen Diagnosesicherung, wenn von Seiten der klinischen Beschwerden, der Labordiagnostik oder der Bildgebung bereits eine Verdachtsdiagnose besteht, sowie der Abschätzung des Schweregrades einer Lebererkrankung. Hieraus können sich wichtige Informationen für das weitere Management und die Prognose einer Lebererkrankung ergeben. Obwohl im Rahmen der Leberbiopsie nur ein kleiner Gewebezylinder entnommen wird, ist dieser in der Regel bei chronischen Lebererkrankungen für das gesamte Organ repräsentativ.

Die durch Ultraschall kontrollierte Leberpunktion hat sich als weltweiter Standard durchgesetzt. Im Gegensatz zur Gewebeentnahme im Rahmen einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) oder einer Punktion über einen Katheter in der Lebervene (transjuguläre Leberbiopsie) hat die ultraschall-gesteuerte Leberpunktion nach Menghini eine vergleichsweise geringe Komplikationsrate. Zu den wichtigsten Komplikationen zählen intra-abdominelle Blutungen, Leber- und Gallengangsverletzungen, seltener Verletzungen anderer Organe (Lunge, Niere) oder Infektionen, die in weniger als 1% der Fälle auftreten. Die perkutane Leberbiopsie ist damit ausreichend sicher, um sie ambulant durchführen zu können. Schwerwiegende Komplikationen werden in der Regel innerhalb der ersten 1-2 Stunden offensichtlich, weshalb Patienten in dieser Zeit überwacht werden sollten, bevor sie wieder nach Hause gehen können. Am Tag der Untersuchung sollte schwere körperliche Anstrengung, insbesondere das Tragen schwerer Lasten vermieden werden.

In bestimmten Fällen sollte keine Leberbiopsie durchgeführt werden. Zu den wichtigsten Kontraindikationen für eine Leberbiopsie zählen schwere Störungen der Blutgerinnung (Blutungsneigung: z. B. INR > 1,2 oder schwere Thrombozytopenie (< 50.000 / ml)) und nicht kooperative Patienten, die unfähig sind, während der Biopsie still zu halten oder die notwendigen Atemmanöver (kurze Ausatemphase während der Biopsie) nicht durchführen können. Weitere Kontraindikationen sind schwere Blutarmut (Anämie), Bauchfellentzündung (Peritonitis), Bauchwasser (Aszites) und schwerer Gallestau (Cholestase).

Der Stellenwert der Leberbiopsie bei diffusen Lebererkrankungen hat sich in den vergangenen Jahren teils gewandelt. Eine chronische Virushepatitis B und C lässt sich zuverlässig über eine Untersuchung des Blutes diagnostizieren. Eine Leberbiopsie diente lange Zeit zur Beurteilung der entzündlichen Aktivität (Grading) und des Ausmaßes der Fibrose (Staging) zur Entscheidung und Festlegung der Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie. Mit den neuen, nebenwirkungsarmen Medikamenten für die Hepatitis C und der Möglichkeit einer nicht-invasiver Beurteilung des Fibrosegrades über die Leberelastographie ist inzwischen nur noch selten eine Leberbiopsie notwendig.

Für die Diagnose einer autoimmunen Hepatitis (AIH) ist der histologische Nachweis über eine Leberbiopsie, trotz neuer Bluttests und nicht-invasiver Verfahren, noch immer erforderlich. Die histologische Beurteilung der Leber ist wesentlicher Bestandteil aller Diagnose-Scores und erlaubt eine genauere Beurteilung der entzündlichen Aktivität. In fortgeschrittenen Stadien mit nur gering erhöhten Leberwerten können beim Nachweis einer entsprechend ausgeprägten entzündlichen Aktivität eine höhere Dosierung der immunsuppressiven Medikamente erforderlich sein. Darüber hinaus kann nach Normalisierung der Leberwerte im Verlauf eine erneute Leberbiopsie helfen einen Auslassversuch der Immunsuppression zu planen, sollten keine entzündlichen Veränderungen mehr nachweisbar sein.

Im Falle chronisch cholestatische Lebererkrankungen ist eine Leberbiopsie nur in Ausnahmefällen notwendig. Die Primär biliäre Cholangitis (PBC) kann meist zuverlässig durch den Nachweis von typischen Auto-Antikörpern (anti-mitochondriale Antikörper: AMA) und erhöhten Gallenwerten im Blut (v.a. alkalische Phosphatase) diagnostiziert werden. Nur bei Verdacht auf eine begleitende autoimmune Hepatitis, etwa bei erhöhten Leberwerten (Transaminasen) sollte eine Leberbiopsie durchgeführt werden. Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) kann meist anhand typischer Veränderungen der Gallenwege in der Kernspintomographie (MRCP) oder Gallenspiegelung (ERCP) diagnostiziert werden. Wie bei der PBC gibt es auch bei der PSC in seltenen Fällen eine begleitende autoimmune Hepatitis, die einen Nachweis mittels Leberbiopsie erfordert. Früh- oder Minimal-Formen der PSC („small-duct-PSC) mit nur geringen Veränderungen der Gallenwege können in der MRCP oder ERCP leicht übersehen werden. Bei Anhaltendem Verdacht, etwa typischen Veränderungen der Laborwerte, sollte eine Leberbiopsie zur Diagnosesicherung durchgeführt werden.

Die alkoholische und die nicht-alkoholische Fettleber bzw. Fettleberhepatitis (ASH und NASH) kann anhand typischer Veränderungen auf Ebene des Lebergewebes mittels Biopsie unterschieden werden. Wichtiger aber als die Ursache (alkoholisch vs. nicht-alkoholisch) ist die Beurteilung des Fibrosegrades und der entzündlichen Aktivität. Die Unterscheidung einer vergleichsweise harmlosen Fettleber von einer Fettleberhepatitis mit dem Risiko für das Fortschreiten bis zur Leberzirrhose und die Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) kann nur bedingt anhand von Blutwerten getroffen werden. Häufig ist in diesen Fällen eine Leberbiopsie für die Sicherung der Diagnose erforderlich. Die Festlegung des Schweregrades der Fibrose und die Beurteilung im Verlauf kann hingegen inzwischen in den meisten Fällen mittels nicht-invasiver Verfahren wie der Leberelastographie erfolgen.

Die angeborene Eisenspeicherkrankheit Hämochromatose wird durch eine Mutation im Hämochromatose-Gen (HFE-Gen) verursacht, die im Rahmen einer Blutuntersuchung nachgewiesen werden kann. Allerdings erkrankt nur ein Teil der Patienten mit einer Mutation des HFE-Gens im Laufe ihres Lebens an einer Hämochromatose. Die Leberbiopsie hat daher noch immer einen hohen Stellenwert für den Nachweis einer Leberzirrhose bei Hämochromatose, da diese Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für ein HCC haben.

Die Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson ist nicht immer eindeutige durch Labor- und Urinuntersuchungen zu diagnostizieren. Die Leberbiopsie dient der Sicherung der Diagnose eines Morbus Wilson. Darüber hinaus erlaubt die Entnahme von Lebergewebe die Messung der Kupferbeladung der Leber, was ggf. eine Anpassung der Therapie erlaubt.

Sollten klinische Untersuchungen, Bluttests und bildgebende Verfahren keine eindeutigen Hinweise für die Ursache einer Lebererkrankung ergeben sollte ebenfalls eine Leberbiopsie veranlasst werden. Das gilt insbesondere bei schweren und schnell auftretenden Leberschädigungen im Rahmen eines akuten Leberversagen oder beim Nachweis einer Leberzirrhose unklarer Ursache. Neben der Klärung der zugrunde liegenden Erkrankung oder etwa einer Schädigung durch Medikamente erlaubt die Leberbiopsie auch die Abschätzung der Regenerationsfähigkeit des Lebergewebes und damit der Prognose.

Der Stellenwert der Leberbiopsie zur Beurteilung umschriebener Lebertumoren hat sich insbesondere durch die Verbesserung der bildgebenden Methoden gewandelt. Gutartige Lebertumoren, wie z.B. das Hämangiom oder eine Fokal-Noduläre Hyperplasie (FNH) können meist durch kontrastmittelverstärkte Verfahren (Ultraschall, CT oder MRT) beurteilt werden. Dahingegen kann die reine radiologische Beurteilung eines Leberadenoms schwierig sein, insbesondere in der Abgrenzung von einem frühen HCC. Die Indikation zur Leberbiopsie sollte in diesen Fällen großzügig gestellt werden. Bei bestehender Leberzirrhose ist das Risiko für ein HCC deutlich erhöht. In diesem Fall ist insbesondere bei kleinen Tumoren von 1-2 cm Größe eine Unterscheidung eines bösartigen von einem gutartigen Tumor anhand der Bildgebung teils schwierig. Bei unklarer Bildgebung sollte in solche  Fällen eine Leberbiopsie zur Beurteilung des Lebertumors veranlasst werden.

Bei Patienten nach Lebertransplantation kann eine Leberbiopsie ebenfalls aus unterschiedlichen Gründen erforderlich sein. Die Leberbiopsie ist noch immer der Goldstandard zum Nachweis einer akuten Abstoßungsreaktion, die in den meisten Fällen durch eine umgehende Cortisontherapie erfolgreich behandelt werden kann. Ansteigende Leberwerte können zwar einen Anhaltspunkt für eine Abstoßungsreaktion liefern, bisher existiert aber noch kein beweisender Blutwert für eine Abstoßung nach Lebertransplantation. Darüber hinaus kann es in einigen Fällen zu einem RezidivWiederaufflammen der Erkrankung, hier also Neuentstehung eines Tumors. der Grunderkrankung kommen, wie z.B. bei autoimmunen Lebererkrankungen (AIH, PBC, PSC), die im Laufe der Zeit zu einer Verschlechterung der Transplantatfunktion führen können. In diesem Zusammenhang ist insbesondere eine Abgrenzung von Schädigungen durch Medikamente wichtig, welche nach Lebertransplantation erforderlicher sind. Diese Unterscheidung kann anhand der Laborwerte nicht zuverlässig gestellt werden.  

Insgesamt bleibt die Leberbiopsie damit weiterhin eine wichtige diagnostische Methode, insbesondere bei chronischen Lebererkrankungen, deren Ursache durch nicht-invasive Methoden nicht eindeutig zu klären sind. Nach Lebertransplantation kann eine Leberbiopsie zum Ausschluss einer Abstoßungsreaktion oder zur Abklärung bei Transplantatverschlechterung erforderlich sein. Die reine Beurteilung des Schweregrades einer Erkrankung und die Ausprägung einer Fibrose bzw. Zirrhose kann dahingegen inzwischen meist durch nicht-invasive Methoden bestimmt werden.  

Autor: PD Dr. med. Christian Rupp, Klinik für Gastroenterologie, Infektionen und Vergiftungen Universitätsklinikum Heidelberg
Stand: Januar 2020

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Lebertransplantierte Deutschland e.V.
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Telefon: 02302/1798991
Fax: 02302/1798992

E-Mail: geschaeftsstelle(at)lebertransplantation.de

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