Patientenseminar in Hamburg

Die Zahl 13 muß nicht zwangsläufig immer Unglück bedeuten wie die Vereine Lebertransplantierte Deutschland e.V. und Nieren Selbsthilfe Hamburg e.V. mit der Organisation des diesjährigen Seminars bewiesen haben.

Das 13. Patientenseminar, das am 28. Oktober 2018 erneut in den Räumlichkeiten der Christus Gemeinde in Hamburg-Othmarschen stattfand, hat gezeigt, daß durchaus auch zum 13. Male eine Veranstaltung sehr erfolgreich sein kann, wie uns auch viele der knapp 100 Teilnehmer bestätigten.

© Foto: Christa Marsig / Seminarbesucher im Gemeindesaal der Christuskirchengemeinde

Dies lag im Wesentlichen an den sehr guten Vorträgen von Herrn PD Dr. Markus Gödel und Prof. Dr. Ulrich Wenzel. Beide Referenten waren mit ihren Vorträgen von den eng kooperierenden Veranstaltern gemeinsam ausgewählt worden.

Eingeleitet wurde der Seminartag wie in den Vorjahren wieder mit einem Dankgottesdienst für die verstorbenen Organspender und deren Angehörige. So hatten die Seminarteilnehmer die Gelegenheit, an einer berührenden und einfühlsamen Andacht teilzunehmen, die von der evangelischen Pastorin Katharina Davis und ihrem katholischen Kollegen, Diakon Stefan Mannheimer, in der Christuskirche gestaltet wurde.

© Foto: Christa Marsig / Katharina Davis und Diakon Stefan Mannheimer

Nach einer Mittagspause mit einem leckeren Imbiss, bestehend aus belegten Baguette-Brötchen, Suppe und Würstchen sowie diversen heißen und kalten Getränken, warteten alle Seminarteilnehmer gespannt auf den ersten Vortrag des Tages.

Dieses 1. Referat wurde von Priv.-Doz. Dr. med. Markus Gödel, Arzt am Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf (UKE) gehalten. Unter dem Titel “Telemedizin in der Transplantationsnachsorge” befaßte er sich mit einer derzeit viel diskutierten Thematik, der Digitalisierung in der Medizin.

Zunächst erläuterte Dr. Gödel den Begriff der Telemedizin. Dies seien medizinische Leistungen, die über räumliche Entfernungen oder zeitlichen Versatz hinweg mittels Informations- und Kommunikationstechnologien erbracht würden:

Zu nennen sei hier zunächst die Betreuung des Patienten durch den Arzt mittels Ferndiagnose, Fernberatung und Fernbehandlung im Rahmen einer Videosprechstunde.

Auch die Fernüberwachung des Patienten durch andere medizinische Fachkräfte, Gesundheits- und Krankenpfleger und Gesundheitsmanager sei bereits möglich wie das Beispiel der Senioren-Notruf-Systeme zeige.

Ein weiteres Einsatzgebiet der Telemedizin sei die Telekonsultation von Ärzten untereinander. So könnten Ärzte z.B. radiologische Befunde wie Röntgen, CT- oder MRT-Bilder direkt übermitteln und begutachten.

Dr. Gödel sprach auch den Kosten- und Umweltfaktor für den Gesundheitsbereich an und erläuterte dies am Beispiel eines in Stade wohnenden Patienten, der nach seiner Transplantation am UKE in Hamburg betreut werde: dieser benötige ca. 1 h 20 min Fahrzeit, was ca. 12 € an Benzinkosten plus einer Kilometerpauschale von 32 € erzeuge sowie einen CO2-Ausstoß von ca. 33 kg. Dieser ständige Aufwand werde durch die Telemedizin stark minimiert.

Viel Spaß hatten die Seminarteilnehmer auch an der Live-Umfrage während des Vortrags mittels Smartphone: es wurde nach der Nutzung des eigenen Gerätes gefragt, ob jemand schon einmal bewußt einem seiner behandelnden Ärzte medizinische Unterlagen verschwiegen habe und wieviel Zeit man benötige, um von zu Hause in die Arztpraxis zu gelangen.

Studien hätten bereits gezeigt, daß durch den Einsatz von Telemedizin bei der Betreuung transplantierter Patienten die Adhärenz und das Patienten-Selbst-Managements optimiert werde sowie eine erhebliche Reduzierung von ungeplanten Krankenhausaufenthalten (ca. 60%) und eine wesentlich kürzere Verweildauer im Krankenhaus nach ungeplanten Aufenthalten (ca. 67%) stattfände. Auch erholten sich Patienten mit telemedizinisch unterstütztem Fall-Management schneller, hätten mehr Selbstvertrauen und begännen deshalb auch früher wieder zu arbeiten.

Zum Abschluß seines Vortrags faßte Dr. Gödel den Inhalt nochmals in seinem „Traum“ von der Telemedizin zusammen, indem er die Seminarteilnehmer bat, sich vorzustellen, daß…

1. der behandelnde Arzt direkt die Krankheitsgeschichte des Patienten, alle medizinischen Befunde und die aktuelle Medikation einsehen könne – egal wo und von wem zuletzt Befunde erhoben und wer zuletzt Änderungen an der Medikation empfohlen habe;

2. für Transplantationspatienten erhobene Laborbefunde direkt an das behandelnde Zentrum weitergeleitet und von den behandelnden Spezialisten beurteilt und der Patient bei Auffälligkeiten oder notwendigen Medikationsänderungen direkt benachrichtigt werde.

3. auch selbst erhobene Befunde wie Blutdruck, Blutzucker, Urinmenge,

Gewicht oder der Peak Flow direkt an das behandelnde Zentrum weitergeleitet würden. Bei Auffälligkeiten werde man dann direkt angesprochen und es könne so nach Lösungen gesucht werden.

4. falls notwendig, es bei jeder medizinischen Fragestellung möglich sei, über Telekonsultation oder Videokonferenz (Arzt <-> Arzt und Arzt <-> Patient) eine Auskunft und Behandlung von zuständigen Spezialisten zu bekommen.

Im Anschluß an die Ausführungen wurden noch einige Fragen der Zuhörer von Dr. Gödel beantwortet, wobei eine rege Diskussion auch über den Datenschutz und die möglichen Folgen von Strahlung entbrannte.

© Foto: Peter Stoetzer / PD Dr. Markus Gödel

Nach einer Kaffeepause trug dann im 2. Vortrag des Tages Prof. Dr. Ulrich Wenzel unter dem Titel “Durchfallerkrankungen bei organtransplantierten bzw. immunsupprimierten Patienten” alles Wissenswerte zum Thema Diarrhö vor. Prof. Wenzel ist ebenfalls als Arzt am Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf (UKE) tätig.

Zu Beginn definierte Prof. Wenzel den Begriff „Durchfall“ als flüssigen Stuhl, der drei- bis viermal pro Tag auftrete. Akut sei er bis zu 14 Tagen, persistierend zwischen 14 und 30 Tagen und chronisch ggf. bereits nach mehr als 14 Tagen.

Als Ursache nannte er im akuten Fall eine Infektion durch Bakterien oder Viren, häufig ausgelöst durch den Verzehr von Rohmilch, rohem Fleisch, rohem Fisch oder Schalentieren.

Da der Durchfall von selbst ausheile, würden im Normalfall keine Medikamente benötigt, man solle aber zu Hause süße und salzige Getränke zu sich nehmen und sich unter Vermeidung von Milchprodukten und fettreichen Mahlzeiten möglichst von Reis, Nudeln, Vollkorntoast, gekochtem Gemüse, Äpfeln und Bananen ernähren.

Als Getränke böten sich u.a. Beeren-, Kamillen- und Ingwertee an.

Probiotische Medikamente und Lebensmittel würden zur Wiederherstellung der Darmflora nicht benötigt. Auch sei das Hausmittel Cola plus Salzstangen lediglich bei Fernreisen anzuraten, um den Darm nicht mit ggf. verunreinigtem Wasser erneut zu infizieren.

Weil die Erkrankung i.d.R. selbstlimitierend (selbstheilend) sei, erfolge auch bei einem Arztbesuch keine Erregerdiagnostik. Der Besuch des Arztes sei nur erforderlich bei blutigem Stuhl, persistierendem (anhaltendem) Fieber, Bauchschmerzen und Volumendepletion (dunklem Urin).

Der persistierende Durchfall unter Immunsuppression werde oftmals auch durch Parasiten hervorgerufen; Auslöser könne ebenfalls eine CMV – Infektion sein, die dann entsprechend mit Medikamenten behandelt werden müsse. Auch der Einsatz von Loperamid (Imodium®) sei nur bedingt ratsam, um z.B. bei der Bewältigung von Wegstrecken kurzzeitig die Darmtätigkeit zu hemmen. Es bestehe sonst die Gefahr, daß sich durch die geringere Ausscheidung die Erkrankung verlängere.

Chronischer Durchfall bestehe oftmals bei Laktoseintoleranz und Glutenunverträglichkeit (Zöliakie), Colitis ulcerosa, Morbus Crohn und dem Irritable Bowl Syndrome (Reizdarm).

Auch Immunsuppressiva wie MMF(z.B. CellCept®) könnten Ursache für Durchfall sein.

Eine sehr schwere Durchfallerkrankung sei die Pseudomembranöse Kolitis. Sie werde durch das Bakterium Clostridium difficile hervorgerufen. Besondere Risikofaktoren bestünden nach einer Antibiotika-Therapie in den letzten 4-8 Wochen, ab einem Alter von 65 Jahren, nach einem Krankenhaus-/Pflegeheimaufenthalt in den letzten 3 Monaten, nach einer Therapie mit Magensäurehemmern (PPI), unter Immunsuppression und generell bei chronischen Erkrankungen.

Bei Pseudomembranösen Kolitis hat die Medizin eine spezielle Form der Therapie entwickelt: die Stuhltransplantation!

Hierbei wird der Stuhl eines gesunden Spenders, meist aus dem Familienkreis, in den Darm einer erkrankten Person mittels Endoskopie oder Kapseln übertragen, so daß die übertragenen Bakterien wieder eine gesunde Darmflora herstellen können.

Mit einem Blick auf die traditionellen Methoden zum Erregernachweis in Stuhlmaterialien mittels Mikroskopie, der Anlage von Kulturen, ELISA (antikörperbasiertes Nachweisverfahren) und Amplifikation (Nachweisverfahren für

DNA) schloß Prof. Wenzel seine Ausführungen und stand noch für Fragen der Seminarteilnehmer zur Verfügung.

Seine humorvolle Vortragsweise trug dazu bei, daß alle Seminarteilnehmer ihm gerne zugehört haben und Inhalte so auch leicht verstanden und vermittelt werden konnten.

 
© Foto: Peter Stoetzer / Prof. Dr. Ulrich Wenzel

Ohne Zeitverzug konnte dieses lehrreiche und gut besuchte Patientenseminar dann um 17:00 Uhr zu Ende gehen.

An dieser Stelle möchten wir nochmals unseren Dank aussprechen an

alle Beteiligten, die das Seminar organisiert haben,

die Pastorin und den Diakon für die besinnliche Andacht,

die beiden Referenten, die mit viel Engagement und Fachkompetenz die beiden Fachvorträge gehalten haben,

das Personal des Studierendenwerks Hamburg Abteilung Campus Event, das für unser leibliches Wohl in der Mittags- und Kaffeepause gesorgt hat

sowie unseren Sponsoren mit Amgen und Hexal seitens der Pharmaindustrie, der Techniker Krankenkasse und dem UKE.

Ohne dieses Engagement wäre die Organsiation und Durchführung des Seminars nicht möglich gewesen.

Wir glauben, daß alle Teilnehmer erneut viele Informationen mit nach Hause nehmen konnten!?

Das Thema Telemedizin bot einen Ausblick auf die Möglichkeiten moderner Medizin und die zukünftige Entwicklung in einem digitalen Gesundheitswesen.

Der Vortrag über Durchfallerkrankungen hat, neben konkreten Tips für die Zuhörer, erklärt, was man überhaupt darunter versteht, wodurch sie entstehen und welche Therapieformen es gibt.

Wir freuen uns schon auf das kommende 14. Seminar in 2019 und werden versuchen, wieder Referate mit wertvollen Informationen zusammen zu stellen!

Text: Bernd Hüchtemann

Kontakt

Lebertransplantierte Deutschland e.V.
Montag - Donnerstag 10:00 bis 15:00 Uhr 

Telefon: 02302/1798991
Fax: 02302/1798992

E-Mail: geschaeftsstelle(at)lebertransplantation.de

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