Organspende – Wie ist der Einfluss der Regelungen auf die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen?

In einer Welt, in der medizinische Fortschritte immer weiter voranschreiten und gleichzeitig die Zahl der Menschen auf den Organtransplantations-Wartelisten in Deutschland stetig steigt, ist es von entscheidender Bedeutung, dass junge Menschen ein fundiertes Verständnis für das Thema Organspende und Organtransplantation entwickeln. Eine Doppelstunde in einer 10. und einer 11. Klasse des Kolping-Kolleg Fellbach bei Stuttgart am 1. Februar 2024 bot die ideale Gelegenheit, dieses komplexe Thema zu beleuchten und Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, sich mit den ethischen und medizinischen Dimensionen auseinanderzusetzen. Ermöglicht und organisiert wurde diese Veranstaltung durch Leoni Behnert, einer Schülerin der 11. Klasse derselben Schule. Hut ab vor dem Engagement der jungen Dame!
Im Vordergrund des Meetings sollten nicht nur Fakten und Statistiken stehen, sondern auch die Diskussion verschiedener Standpunkte und die Reflexion persönlicher Einstellungen und Meinungen. Deshalb wurden die Referenten Ferdinand Geßler (Betroffener und Vertreter des Vereins „Lebertransplantierte Deutschland e. V.) sowie Dr. Wolfgang Bettolo (Facharzt und Transplantationsbeauftragter des Klinikums Stuttgart) eingeladen.

Herr Geßler begann die Stunde mit einem persönlichen Erfahrungsbericht über seinen Weg von einer Lebererkrankung bis zur rettenden Lebertransplantation. „Es ist ein unbeschreibliches Glücksgefühl, das sich nach der Transplantation einstellt, wenn man realisiert hat, dass die Tür für ein zweites Leben nun offensteht,“ so Herr Geßler. Dieser persönliche Einblick sollte den Schülerinnen und Schülern eine emotionale Perspektive auf das Thema vermitteln und sie sensibilisieren für die Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit Organspende und Organtransplantation.
Anschließend erläuterte er die Grundlagen zum Thema, darunter Definitionen und Statistiken zur Organspende und zur Transplantation weltweit und im eigenen Land. Dies bot den Schülerinnen und Schülern einen Überblick über das Ausmaß des Problems und die Bedeutung ihres persönlichen Engagements oder anders ausgedrückt, dass es sehr cool sein kann, seine Spendebereitschaft durch einen Organspendeausweis, ein spezielles Tattoo oder ein Gespräch mit den nächsten Verwandten zu signalisieren. Dennoch sollte das keine Werbeveranstaltung sein, sondern es geht letztendlich darum, auf informierter Basis eine persönliche Entscheidung zu treffen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Vorstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Organspende und Transplantation. Dies ermöglichte den Schülerinnen und Schülern, die gesetzlichen Regelungen zu verstehen und ihre Rechte und Pflichten als potenzielle Spenderinnen und Spender oder Empfängerinnen und Empfänger zu erkennen.

Im zweiten Teil der Doppelstunde stellte Herr Dr. Bettolo sein Aufgabenbereich als Transplantationsbeauftragter dar. Am Anfang steht die Identifizierung potentieller Spender während des ganz normalen Krankenhausalltags.
Darauf folgt die wohl emotionalste Aufgabe während des gesamten Prozesses. Die Angehörigen des frisch Verstorbenen werden in einem respektvollen Gespräch über eine mögliche Organspende informiert. Nun, und dann folgt die unausweichliche Frage nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen hinsichtlich einer Organspende. „Das erfordert Fingerspitzengefühl und ein hohes Maß an Sensibilität,“ so der Transplantationsbeauftragte.
Stimmen die Angehörigen zu, kann jetzt durch die enge Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegepersonal, den Organisationen Eurotransplant und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) die Organentnahme und -transplantation organisiert werden.
Weiterhin ist es von großer Bedeutung, so Dr. Bettolo, die ethischen und rechtlichen Standards einzuhalten, damit das Vertrauen der Menschen in den gesamten Prozess von der Organspende bis hin zur Organtransplantation nicht beschädigt wird.

Die Unterrichtsstunde endete mit einer offenen Diskussion und Reflexion, in der die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Einstellungen und Meinungen zur Organspende und Transplantation teilen konnten. Fragen nach Autonomie, Solidarität und Würde standen im Mittelpunkt dieser Diskussion.

Was bleibt am Ende? Nun, es bleibt die Hoffnung, dass die Schülerinnen und Schüler dazu angeregt wurden, über die Komplexität des Themas nachzudenken. Vielleicht entwickelt oder fördert die Veranstaltung die Empathie und das Mitgefühl für diejenigen, die von diesem Thema betroffen sind, aber auch das Bewusstsein, selbst betroffen sein zu können.

Text und Fotos: Ferdinand Geßler

Zum Veranstaltungskalender Zurück