Ein Reisebericht (27. August 2016)
„Früh nach dem Torfhause in tiefem Schnee. 1 viertel nach 10 aufgebrochen, von da auf den Brocken. Schnee eine Elle tief, der aber trug. 1 viertel nach eins droben. Heiterer herrlicher Augenblick, die ganze Welt in Wolken und Nebel und oben alles heiter. Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst. Um viere wieder zurück. Beim Förster auf dem Torfhause in Herberge.“ (Goethe: Schriften zur Geologie und Mineralogie)
Der oben stehende Reisebericht von Goethe entstand nach seinem Brockenaufstieg im Winter.... Gut, wenn ich ehrlich bin, trifft es nicht ganz so unsere Wettersituation beim Aufstieg, war es doch der zweitwärmste Tag seit 1848 oder so. Aber alles von Anfang an.
Ich bin nun einmal gerne in den Sozialen Medien unterwegs, und da fiel mir ein außergewöhnlicher Mensch mit Neigung zum Spazierengehen auf. Gerd ist seit 15 Jahren im Verein, lebertransplantiert, liebt Spagettieis und liebt es, seine Mitmenschen mit Winterbildern im Hochsommer zu quälen. Also mal ehrlich, so einen muss man doch sofort gern haben, und so brachte ein geschriebenes Wort das andere und irgendwie, ich weiß selbst nicht mehr, wer es auf den Punkt brachte, war die Idee geboren, gemeinsam auf den Brocken zu wandern. Am nächsten Tag spielte ich ein wenig mit dem Wort Brocken und zack: „Transplantierte rocken den Brocken“ wurde unser Motto.
Eine Idee war geboren und wurde in die Welt getragen und.... nichts geschah. Gerd und ich sagten uns, egal, dann erst recht und so warteten wir auf die Dinge, die da kamen.
Ich mache es kurz. Am Morgen standen meine Frau Christina, Gerd und ich in Torfhaus, bereit den Brocken zu erwandern. Drei weitere Personen fuhren mit der Brockenbahn. Eigentlich hatten wir mit mehr Resonanz gerechnet. Aber wenn man schon da ist, auf geht’s auf Goethes Spuren Richtung Brocken.
Wie schon gesagt, war es ein sehr schöner Tag, den der Harz uns schenkte. Unterwegs konnte man das Hochmoor bestaunen und die einmalig schöne Natur rückte nur in den Hintergrund, wenn wir uns unterhielten, was eigentlich fast den ganzen Weg über irgendwie so war. Es war als könnten wir uns alles erzählen, und wir wurden verstanden.
Wir drei Wanderer fanden schnell eine gleichmäßige Gangart, und wenn einer nicht mehr konnte, wurde halt eine kleine Pause eingelegt. So haben wir uns bei 28,5°C bis unter den Gipfel hochgekämpft und wurden wegen unserer T-Shirts schon das eine oder andere Mal angesprochen. Es wurde immer mit Erstaunen und Bewunderung zur Kenntnis genommen, dass hier zwei Transplantierte den Brocken erstiegen. Ach ja, der Angehörige wurde auch ab und an mit einem Kopfnicken zu Kenntnis genommen - danke dafür.
Wir standen unter dem Gipfel und Gerd schwärmte vom Brocken-Benno, dem Brockenwanderer, der nun bald sein 8.000stes Mal auf den Brocken wandert. Wir drehen uns um und da steht Brocken-Benno auf einmal vor uns. Schnell kommen wir ins Gespräch, bei dem er auf seine achttausendste Brockenbesteigung am 03.10.2016 hinwies, und er stand uns natürlich noch für ein Foto zur Verfügung.
Schließlich sind wir oben angekommen und treffen nun auch unsere drei Bahnreisenden: Michael, nebst seiner Frau Martina und Ulrike. Es ist gleich eine ausgelassene und angenehme Atmosphäre, und so musste natürlich das Gipfelfoto sofort geschossen werden.... Na ja - also, erst einmal in die Schlange einreihen, denn es war ein wirklich toller Tag und am Gipfel ging es zu, wie in einem Taubenschlag. Natürlich fanden wir wieder einen Hobbyfotografen, der für eine kleine Brocken-Hexe ein Foto von uns machte. Diese kleine rote Hexe hat auch jeder von uns Sechsen als Andenken bekommen, der sich auf den Weg - wie auch immer - zum Gipfel gewagt hatte, und sie war für den Rest des Tages unsere Freundschaftsnadel. Gemeinsam gingen wir zu Tisch und stärkten uns für den Abstieg. Immerhin waren noch 8 Kilometer zu rocken, und die Wärme und der Aufstieg zollten mittlerweile ihren Tribut.
Auf dem Rückweg hatten wir dann beim Abstieg Verstärkung durch Martina. Michael und Ulrike fuhren mit der Brockenbahn zurück. Wir wollten uns in Torfhaus - wie einst Goethe - bei Kaffee und Kuchen treffen. Eigentlich ein toller Plan, wenn da nicht ein Autoschlüssel gewesen wäre, der, entgegen dem Plan, nicht mit dem Zug fuhr, sondern den Brocken in eine Richtung herunter wanderte, in der das Auto so gar nicht stand. Nach langem hin und her wurde auch hier eine Lösung gefunden (dem tollen Funknetz sei gedankt), die den Zugreisenden auch noch ein kleines unfreiwilliges Abenteuer bescherte.
Auch auf dem Rückweg wurde wieder viel geredet und man konnte beobachten, dass sich manchmal zwei Menschen abseits hielten, um ihren gemeinsamen Gedanken mehr Raum zum treiben zu geben.
Am späten Nachmittag bei einer guten Tasse Kaffee und Käsekuchen befanden wir, dass es genau das ausmachte, was diesen Tag für uns zu etwas besonderem machte. Sich die Zeit nehmen zu können, sich in kleinen Gruppen zu finden, in der sich jeder in Ruhe auf sich und den anderen konzentrieren konnte.
Einen großen Dank an die wenigen, die sich mit Gerd und mir auf den Weg gemacht haben und ein besonderen Dank an Gerd: „Danke, dass du es gewagt hast, mit mir das zu rocken.“
Jörg Hülsmann
Text: Jörg Hülsmann
Fotos: Jörg Hülsmann
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