Christian Lange1, Daniela Eser-Valeri2
1 Prof. Dr. med. Christian Lange; Leitung Hepatologie, Leber Centrum München; LMU Klinikum; Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II;
Campus Innenstadt/Großhadern | Marchioninistrasse 15 | 81337 München
2 Priv.-Doz. Dr. med. Daniela Eser-Valeri; Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Klinikum der Universität München; Nussbaumstr. 7, 80336 München
Ja, dieser Patient könnte ein Kandidat für eine Lebertransplantation sein. Sobald bei Patient*innen mit Leberzirrhose Komplikationen wie Bauchwasser (Aszites), Varizenblutungen, hepatische Enzephalopathie etc. auftreten, spricht man von einer dekompensierten Leberzirrhose, die mit einer deutlich reduzierten Lebenserwartung und Lebensqualität verbunden ist. In dieser Situation sollte man sich daher grundsätzlich Gedanken machen, ob eine Lebertransplantation erforderlich und möglich ist.
Erfreulich ist, dass wir die dekompensierte Leberzirrhose durch intensive Forschung der letzten Jahre immer besser verstehen. Es macht zum Beispiel einen Unterschied, ob man nur unter chronischer Bildung von Bauchwasser leidet oder ob immer wieder Einweisungen ins Krankenhaus wegen akuter Komplikationen, vielleicht sogar verbunden mit Organversagen wie einem hepatorenalen Syndrom, erforderlich sind. Um zu entscheiden, ob bei fortgeschrittener Lebererkrankung eine Transplantation notwendig ist oder ob andere Maßnahmen ausreichend sind, ist viel klinische Erfahrung erforderlich. Eine Vorstellung bei Expertinnen und Experten für Lebererkrankungen ist daher sinnvoll.
Letztlich wird das von Zentrum zu Zentrum etwas unterschiedlich gehandhabt. Aus unserer Sicht sollte der Zugang zu einem Transplantationszentrum für Patient*innen mit dekompensierter Leberzirrhose - unabhängig davon ob die Erkrankung durch Alkohol oder andere Gründe verursacht wurde - möglichst einfach sein. Wenn keine offensichtlichen Gründe gegen eine Lebertransplantation oder eine andere Therapie wie z.B. einen TIPS vorliegen, genügt uns in der Regel ein Telefonat und Brief mit dem vorbehandelnden Arzt, um einen Termin zur Abklärung zu vereinbaren.
In aller Regel können Patient*innen mit alkoholischer Lebererkrankung nur nach einer mindestens 6-monatigen absoluten Alkoholabstinenz auf die Warteliste zur Lebertransplantation aufgenommen werden. Darüber hinaus muss eine sorgfältige Begutachtung der Suchtprognose erfolgen und die Patient*innen bekommen Empfehlungen zur suchttherapeutischen Betreuung, die eingehalten werden müssen. Die Alkoholabstinenz wird auch durch Kontrolle von Laborparametern, insbesondere des sogenannten Ethylglucuronids (EthG) im Urin, überwacht.
Diese Regeln haben im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen besteht bei alkoholischer Lebererkrankung nach Beendigung eines schädlichen Alkoholkonsums ein erhebliches Erholungspotenzial der Leberfunktion, selbst bei initial schwer kranken Patient*innen. Eine Lebertransplantation ist in vielen Fällen dann erfreulicherweise gar nicht mehr erforderlich. Zum anderen sollen diese Regeln gewährleisten, dass nur Patient*innen mit geringem Rückfallrisiko ihrer Alkoholabhängigkeit eine Lebertransplantation erhalten, weil ein schädlicher Alkoholkonsum nach Lebertransplantation natürlich zu einem Verlust des Transplantats führen kann. Dies muss angesichts der Knappheit von Spenderorganen vermieden werden.
Ja, die 6-Monatsregel gilt auch in diesen Fällen, da die oben genannten Gründe (Erholungspotenzial, Gewährleistung einer guten Prognose nach Transplantation) auch in diesem Szenario zum Tragen kommen. Der Alkoholkonsum kann als sogenannter Ko-Faktor das Fortschreiten von Lebererkrankungen wie z.B. einer chronischen Virushepatitis ganz erheblich beschleunigen.
Das kann sehr hilfreich sein, da es die Bewertung und Dokumentation im Transplantationszentrum erleichtern und verbessern kann. Wir würden allerdings nicht auf einem Nachweis von Urin-EthG-Untersuchungen aus der Zeit vor Erstvorstellung in unserem Zentrum bestehen, weil viele Patient*innen hierüber nicht informiert werden oder einen solchen Test nicht angeboten bekommen. Aber auch jenseits des Urin-EthG-Wertes ist eine ärztliche Dokumentation von Gesprächen über das Thema Alkohol und die Alkoholabstinenz in Arztbriefen oder der Akte beim Hausarzt sehr hilfreich für die Beurteilung der Suchtprognose nach eventueller Transplantation.
Ja, in sehr gut begründeten Ausnahmefällen kann von der 6-Monats-Regel abgewichen werden. Es gibt Situationen wie z.B. eine schwerste alkoholische Hepatitis oder eine dekompensierte Leberzirrhose mit mehreren Organversagen, bei denen die Patient*innen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach Beendigung des Alkoholkonsums in deutlich weniger als 6 Monaten versterben. Da hier das Abwarten einer mehrmonatigen Alkoholabstinenz gar nicht möglich ist, muss die Abstinenzprognose der Patient*innen anhand anderer, sehr differenzierter Kriterien beurteilt werden. Es ist aus unserer Sicht wichtig, dass die Patient*innen grundsätzlich die Chance auf eine Beurteilung des Abweichens von der 6-Monats-Regel bekommen, wobei letztlich nur in wenigen Fällen die Voraussetzungen für eine Transplantation außerhalb der 6-Monats-Regel gegeben sind.
Neben einer absoluten Alkoholabstinenz muss – sofern der Zustand der Patient*innen dies erlaubt – unbedingt eine Therapie der Suchterkrankung eingeleitet werden. Wir behandeln diese Patient*innen daher immer in einem interdisziplinären Team aus Psychiatrie (oder Psychosomatik) und den somatischen Disziplinen.
Nein, bei der Leberzirrhose resultiert die Wartezeit aus der Dringlichkeit der Transplantation (die durch den MELD-Score bemessen wird), unabhängig von der Ursache der Leberzirrhose.
Prinzipiell ist die alkoholische Leberzirrhose eine der häufigsten Erkrankungen, die in Deutschland und in Europa zu einer Lebertransplantation führen.
Eine Lebertransplantation ist zwar ein großer und rsikobehafteter Eingriff, bei richtiger Indikationsstellung sind die mittel- und langfristigen Überlebenschancen aber gut und führen in der Regel zu einem erheblichen Überlebensvorteil der Patient*innen und auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität.
Im Anschluss an eine erfolgreiche Transplantation ist in der Regel eine Rehabilitation erforderlich, um die somatischen und psychischen Beeinträchtigungen zu überwinden, die durch die schwere Lebererkrankung und die Transplantation entstehen können. Nach Lebertransplantation sind regelmäßige Kontrollen zur Überwachung der Leberfunktion, zur Steuerung der immunsuppressiven Therapie und zur frühzeitigen Erkennung und Behandlung von Problemen wie Infektionen erforderlich. Speziell bei Transplantation nach alkoholischer Lebererkrankung sind unterstützende psychotherapeutische Maßnahmen erforderlich, um die langfristige Alkoholabstinenz zu gewährleisten.
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
Montag - Freitag 9:00 bis 13:00 Uhr
Telefon: 02302/1798991
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