Hämochromatose

Die Hämochromatose ist eine genetisch bedingte Eisenspeichererkrankung. Etwa 5 bis 10% der Bevölkerung sind Überträger des Gendefekts, während die Erkrankung mit einer Häufigkeit von 1:400 bis 1:200 auftritt. Damit zählt die Hämochromatose zu den häufigsten Erbkrankheiten. Die Eisenüberladung des Organismus führt zur langsam fortschreitenden Schädigung von Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse, Hirnanhangsdrüse und Gelenken.

Ursache der Erkrankung

Der Hämochromatose liegt eine erhöhte Eisenaufnahme im oberen Dünndarm zugrunde. Da der Körper über keine Möglichkeit verfügt im Übermaß aufgenommenes Eisen wieder auszuscheiden, wird das überschüssige Eisen in bestimmten Organen abgelagert und führt dort zur Organschädigung.

Die Hämochromatose beruht in den meisten Fällen auf einem Defekt in einem bestimmten Gen, dem 1996 entdeckten Hämochromatosegen HFE, das auf Chromosom 6 liegt. Der Mensch besitzt insgesamt etwa 100.000 verschiedene Gene, von denen jedes die Information für ein bestimmtes Protein (einen Eiweißstoff) trägt.

Die Gesamtheit der Gene ist verteilt auf zweimal 23 Chromosomen, wobei 23 Chromosomen von der Mutter und 23 Chromosomen vom Vater stammen. Jedes Gen, mit Ausnahme der Gene auf den Geschlechtschromosomen, ist aufgrund dieses doppelt vorhandenen Chromosomensatzes in zweifacher Ausfertigung vorhanden. Die Hämochromatose wird autosomal rezessiv vererbt, d.h. die Erkrankung tritt nur dann auf, wenn beide Ausführungen des Gens einen Defekt tragen. Bei über 80% der Patienten findet sich in beiden Ausfertigungen des HFE-Gens eine bestimmte Veränderung (C282Y-Mutation genannt), die zum Austausch einer Aminosäure (Aminosäuren sind die Bausteine aller Eiweißstoffe) im HFE-Protein führt. Weitere 5% tragen auf dem einen Chromosom 6 die C282Y-Mutation, auf dem anderen eine zweite (H63D-Mutation genannt). Diese beiden Gendefekte lassen sich in einem routinemäßig zum Einsatz kommenden Gentest identifizieren. Als Folge der Mutationen wird eine Funktionsminderung oder ein Funktionsverlust des HFE-Proteins vermutet. Der exakte Mechanismus, über den HFE-Mutationen zur Hämochromatose führen, ist jedoch noch nicht geklärt.

Bei ca. 10% der Hämochromatosepatienten in Deutschland (in Italien bei ca. 35%) müssen andere, noch nicht identifizierte Faktoren für die Erkrankung verantwortlich sein.

Krankheitserscheinungen

Patienten mit fortgeschrittener Hämochromatose stellen sich üblicherweise mit Müdigkeit, Impotenz bzw. Amenorrhoe (ausbleibender Menstruation), Gelenkschmerzen, Oberbauchschmerzen oder Symptomen eines Diabetes mellitus (Gewichtsverlust, vermehrte Harnausscheidung) vor. Erste Symptome treten bei Männern in der Regel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf, bei Frauen nach den Wechseljahren. Der spätere Beginn der symptomatischen Erkrankung bei Frauen wird vor allem einem höheren Eisenbedarf (durch Menstruation, Schwangerschaft, Stillen) zugeschrieben.

 

Symptome

  • Anthropathie
  • Impotenz/Amenorhhoe
  • Müdigkeit/Abgeschlagenheit
  • Diabetes/pathologische Glucosetoleranz
  • Hepatomegalie/Leberzirrhose
  • Hautfärbung
  • Kardiamyopathie

In der Leber entwickelt sich mit zunehmender Eisenablagerung allmählich eine Leberfibrose (Bindegewebsvermehrung) und später eine Leberzirrhose (Vernarbung des Lebergewebes). Die Entstehung eines Leberzellkarzinoms (eines bösartigen Leberzelltumors) wird bei etwa 30% der Patienten mit einer Leberzirrhose nach 20 bis 30 Jahren beobachtet, sogar nach Entfernung des überschüssigen Eisens durch die Aderlasstherapie.

Der häufig beobachtete Diabetes mellitus ist in erster Linie durch die Anreicherung von Eisen in der Bauchspeicheldrüse bedingt.

Die dunkle Pigmentierung der Haut, ein typisches Zeichen, ist vor allem auf eine vermehrte Produktion des Hautfarbstoffes Melanin zurückzuführen. Sie findet sich besonders ausgeprägt an Stellen, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind, sowie Brustwarzen, Damm, Handinnenflächen und Narben.

Der durch Eisen verursachte Schaden in bestimmten Zellen der Hirnanhangsdrüse kann die Ursache von Impotenz bei Männern und Amenorrhoe bei Frauen sein.

Eine Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung) durch Eiseneinlagerung ins Herzmuskelgewebe wird bei etwa 15% der Patienten beobachtet.

Bei 25 bis 30% der Patienten entwickelt sich eine Arthropathie (Gelenkerkrankung), unabhängig davon, wie weit andere Organe bereits geschädigt sind. Die kleinen Gelenke der Hand sind häufig als erste betroffen. Im weiteren Verlauf kann eine fortschreitende Gelenkerkrankung mit Befall der Hand-, Hüft- und Kniegelenke auftreten.

Diagnose der Hämochromatose

Für die Diagnose der Hämochromatose sind zwei Laborwerte wichtig: Der Ferritinspiegel im Serum (Ferritin ist ein Eisenspeicherprotein) ist ein Maß für die Menge des gespeicherten Körpereisens; er ist bei der Mehrzahl der symptomatischen Patienten deutlich erhöht (über 500 µg/l). Das Ferritin liegt jedoch auch bei entzündlichen Erkrankungen oft oberhalb des Normbereichs. Junge Hämochromatosepatienten können dagegen eine lediglich geringe Eisenüberladung und somit einen nur mäßig erhöhten Ferritinwert zeigen.

 

Diagnostik

Laborwerte

  • Transferrinsättigung >45%
  • Serumferritin erhöht

Leberbiopsie mit Eisenbestimmung

  • Lebereisenindex >1,9
  • Grafik nicht vorhanden

HFE-Gentest

  • homozygote C282Y-Mutation

Die Bestimmung der Transferrinsättigung mit Eisen (prozentuale Beladung des Eisentransportproteins Transferrin mit Eisen) ergänzt die Diagnostik. Bei der Mehrzahl der Hämochromatosepatienten findet sich eine Transferrinsättigung von über 45%. Durch kombinierte Bestimmung des Serumferritinwerts und der Transferrinsättigung können 94% der Hämochromatosepatienten identifiziert werden; 86% der so erfassten Patienten haben wirklich eine Hämochromatose.

Die Möglichkeit einer genetischen Testung hat das diagnostische Vorgehen bei der Hämochromatose entscheidend verändert. Besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer Hämochromatose, so sollte zunächst ein Gentest durchgeführt werden. Erst wenn dieser die Eisenüberladung nicht erklärt oder wenn sich Hinweise für einen Leberschaden finden, ist eine Leberbiopsie notwendig.
Mit Hilfe der Biopsie können sowohl Sonderformen der Hämochromatose (anderer genetischer Defekt oder Störung der Blutbildung als Ursache) als auch eine Leberzirrhose erkannt werden. Die sichere Diagnose einer Leberzirrhose ist insofern von Bedeutung, als diese mit einem erhöhten Tumorrisiko verbunden ist, was regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen erforderlich macht.

Bei Hämochromatosepatienten mit typischem Gendefekt sollte eine Familienuntersuchung erfolgen. Dabei sollte zunächst bei allen Verwandten ersten Grades ein Gentest durchgeführt werden.

Therapie

Ziel der Therapie ist eine Entleerung der Körpereisenspeicher. Am wirksamsten wird dies durch eine Aderlasstherapie erreicht. Unter der Behandlung bessern sich die verschiedenen Symptome der Erkrankung in unterschiedlichem Ausmaß. Anfangs soll ein Aderlass von 500 ml Blut pro Woche durchgeführt werden. Bis zur Entspeicherung der Eisendepots vergehen bei einer fortgeschrittenen Hämochromatose etwa eineinhalb Jahre.

Die Therapie wird mit dieser Häufigkeit fortgesetzt, bis der Serumferritinwert unter 50 µg/l abfällt. Aufgrund der genetisch bedingten Erhöhung der Eisenresorption darf die Aderlasstherapie jedoch niemals vollständig abgebrochen werden. Zur Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Körpereisenbilanz genügen – individuell angepasst – vier bis zwölf Aderlässe pro Jahr.

Eine Behandlung mit dem Medikament Deferoxamin (Desferal®) erfolgt nur, wenn eine Anämie (Blutarmut) oder eine fortgeschrittene Kardiomyopathie besteht. Die Substanz bindet Eisen im Serum und Gewebe und wird über Galle und Urin ausgeschieden. Aufgrund der kurzen biologischen Halbwertszeit von nur 5 bis 10 Minuten wird das Medikament mit Hilfe eines tragbaren Infusionssystems als Dauerinfusion in das Unterhautgewebe über 12 bis 24 Stunden pro Tag kontinuierlich (5 bis 7 Tage pro Woche) verabreicht. Unter der Therapie, insbesondere bei hohen Dosierungen, können gelegentlich Seh- und Hörstörungen auftreten. Insgesamt ist die Behandlung mit Deferoxamin weniger wirksam, nebenwirkungsreicher und aufwendiger als die Aderlasstherapie.Bei fortgeschrittener Leberzirrhose ist gegebenenfalls eine Lebertransplantation unumgänglich.

Prognose

Unbehandelt führt die Erkrankung unweigerlich zum Tod. Wird hingegen vor Auftreten einer Leberzirrhose und vor Auftreten eines Diabetes mellitus eine Aderlasstherapie begonnen, so resultiert eine normale Lebenserwartung. Ausmaß der Eisenüberladung und Zeitpunkt des Beginns einer Aderlasstherapie zeigen einen deutlichen Einfluss auf Prognose und Auftreten von Komplikationen der Hämochromatose. Diese Beobachtungen unterstreichen die Bedeutung einer frühen Diagnose und konsequenten Therapie bei der Hämochromatose.

Beeinflussung der häufigsten Symptome durch Aderlasstherapie
Symptome nach Therapie bei Diagnose
Anzeichen einer Lebererkrankung 38% 90%
Hautpigmentierung 12% 81%
Schwäche 23% 81%
Oberbauchbeschwerden 29% 62%
Gelenkbeschwerden 27% 42%
Potenzminderung 33% 37%
Tabelle 1

Zusammenfassung

Die Hämochromatose zählt mit einer Häufigkeit von 1:400 bis 1:200 zu den häufigsten Erbkrankheiten. Sie ist charakterisiert durch eine ausgeprägte Eisenüberladung des Organismus, hervorgerufen durch eine vermehrte Eisenaufnahme im oberen Dünndarm. Das überschüssige Eisen wird in verschiedenen Organen abgelagert, insbesondere in Leber, Bauchspeicheldrüse, Herzmuskel, Gelenken und Hirnanhangsdrüse.

Diese Organverteilung bestimmt das Bild der Hämochromatose, das durch Hepatomegalie (vergrößerte Leber), Leberzirrhose mit erhöhtem Risiko für die Ausbildung eines Leberzellkarzinoms, Diabetes mellitus, Herzmuskelschwäche, Gelenkerkrankung, Impotenz bzw. Amenorrhoe sowie eine dunkle Hautpigmentierung ("Bronzediabetes") gekennzeichnet ist. Die Diagnostik beinhaltet die Bestimmung der Laborwerte Ferritin und Transferrinsättigung, den Gentest und in bestimmten Fällen die Leberbiopsie. Therapie der Wahl ist die Aderlassbehandlung, nur bei Vorliegen von Gegenanzeigen die Behandlung mit dem Medikament Deferoxamin. Die Einleitung einer konsequent durchgeführten Aderlassbehandlung vor dem Auftreten eines Diabetes mellitus und einer Leberzirrhose resultiert in einer normalen Lebenserwartung.


Dr. med. T. Herrmann; Dr. med. S. Gehrke; Prof. Dr. med. W. Stremmel
Abteilung Innere Medizin IV, Medizinische Klinik und Poliklinik
Klinikum der Ruprecht-Karls-Universität
Bergheimer Str. 58
69115 Heidelberg
Tel. (0 62 21) 56 87 01
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