Dieser Artikel ist entnommen aus den Lebenslinien 1/2015 - Seiten 9 und 10.
Autoren:
Innere Medizin/Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinikum Essen
Eine gefürchtete Komplikation nach der Lebertransplantation ist die Abstoßung des Spenderorgans durch den Empfänger. Diese kann zu Funktionseinschränkungen des Organs, zum Organversagen und im schlimmsten Fall auch zum Verlust der transplantierten Leber führen.
Nach einer Lebertransplantation arbeitet das Immunsystem des Empfängers gegen das Spenderorgan, da es von den körpereigenen Immunzellen als „fremd“ erkannt wird. Diese Reaktion ist normal und von Bedeutung für die Abwehr von Infektionserregern.
Je mehr Übereinstimmungen es in den genetischen Merkmalen des Spenders und Empfängers gibt, desto geringer ist das Risiko einer Abstoßungsreaktion. Aus diesem Grund werden vor einer Transplantation eine Reihe Voruntersuchungen im Blut durchgeführt.
Obwohl die Spenderorgane entsprechend der Gewebemerkmale auf den Empfänger ausgelegt sind, ist eine Unterdrückung des körpereigenen Abwehrsystems notwendig. Die immunsuppressive Therapie, welche nach der Transplantation lebenslang eingenommen wird, schützt das transplantierte Organ vor einer Abstoßung des Immunsystems.
Eine Transplantation ohne Immunsuppression bleibt genetisch identischen Individuen (syngene Transplantation) vorbehalten, wie es bei eineiigen Zwillingen der Fall ist.
Man unterscheidet eine hyperakute innerhalb weniger Stunden nach der Transplantation, eine akute (frühe) innerhalb der ersten drei Monate und eine chronische (späte) Abstoßungsreaktion der Leber.
Die hyperakute Abstoßung entsteht vor allem durch präformierte Antikörper und Blutgruppenunverträglichkeiten. Sie tritt Minuten oder Stunden nach der Transplantation auf. Ein Transplantatversagen und -verlust ist eine mögliche Folge. Diese Form der Abstoßung kommt aufgrund der immunologischen Eigenschaften der Leber nach einer Lebertransplantation eher selten vor.
Die akute Abstoßungsreaktion erfolgt meistens innerhalb der ersten 90 Tage nach der Transplantation. Etwa ein Drittel aller Patienten (27%) erleiden eine Episode einer akuten Abstoßung, welche in der Regel medikamentös gut zu beherrschen ist.
Die späte – oder chronische – Abstoßungsreaktion tritt bei Patienten, die im erwachsenen Alter transplantiert wurden, sehr selten auf (ca. 2%). Sie geht meist auf zu niedrige Spiegel der Immunsuppression zurück. Eine chronische Abstoßung unterscheidet sich stark von einer akuten Abstoßung und ist ggf. schwer zu unterscheiden von der Rückkehr verschiedener Grunderkrankungen wie insbesondere der PSC. Risikofaktoren für eine chronische Abstoßung sind bestimmte Grunderkrankungen wie AIH, PBS und PSC sowie dauerhaft zu niedrige Spiegel der Immunsuppressiva bzw. eine unregelmäßige Einnahme der Medikation. Die wichtigste Ursache ist, unabhängig von der Grunderkrankung, eine Incompliance des Patienten. Incompliance bezeichnet eine unzureichende Adhärenz bzw. inkonsequentes Befolgen der ärztlichen Ratschläge, insbesondere hinsichtlich einer ausreichenden Disziplin bei der Medikamenteneinnahme. Laut Bericht der Weltgesundheitsorganisation geht man davon aus, dass nur die Hälfte aller Patienten eine gute Compliance hat.
Die akute Abstoßung kann mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Unwohlsein, Kopfschmerz und Schwindel einhergehen. Außerdem kann es zur Gelbfärbung der Haut und des Augenweiß (Ikterus), Verschlechterung des Allgemeinzustandes sowie Schmerzen im Bauchraum kommen. Ebenso können heller Stuhl und dunkler Urin Zeichen der Abstoßungsreaktion sein.
Je später nach Transplantation eine chronische Abstoßung auftritt, umso häufiger erfolgt sie asymptomatisch ohne Beschwerden. Die späte Abstoßungsreaktion kann über mehrere Jahre im Spenderorgan zu Schädigungen führen, ohne vom Empfänger bemerkt zu werden. Eine schleichende Verschlechterung der Organfunktion ist die mögliche Folge.
Wichtig: Eine Abstoßung kann ohne Beschwerden und Schmerzen ablaufen!
Damit die Abstoßungsreaktion nach Lebertransplantation frühzeitig erkannt und behandelt wird, werden in der Zeit nach der Transplantation in kurzen Abständen Nachsorgetermine mit Ultraschalluntersuchungen und Laborkontrollen durchgeführt. Wenn sich hier Hinweise ergeben, erfolgt die Leberpunktion als Goldstandard der Diagnostik.
Ein Pathologe muss unverzüglich das entnommene Gewebe unter dem Mikroskop untersuchen und nach Zeichen einer Abstoßung auf zellulärer Ebene suchen. Bei einer Abstoßung des Organs stellen sich Zeichen einer Entzündung im Lebergewebe dar und es kann zum Untergang der kleinen Gallengänge und Lebergefäße kommen. Anhand der unterschiedlichen Immunzellen, welche an der Reaktion beteiligt sind, und ihrer Lokalisation im Lebergewebe kann der Pathologe eine Abstoßungsreaktion von einer Rückkehr der Grunderkrankung, wie einer Virushepatitis oder Autoimmunerkrankung (Autoimmunhepatitis, PSC, PBC) unterscheiden. Das Ergebnis der Leberpunktion ist entscheidend für das festzulegende therapeutische Vorgehen.
Hinweise auf eine chronische bzw. schleichende Transplantatschädigung und Anhalt zur weiteren Diagnostik kann der FibroscanBildgebende Diagnosemethode, um den Zustand der Leber über die Aussage der Laborwerte hinaus bewerten zu können. (Elastographie) geben. Dieses nicht-invasive Verfahren misst die Verformbarkeit bzw. Elastizität der Leber und kann im Langzeitverlauf als Parameter für den Grad der Fibrose bzw. Zirrhose (Vernarbung der Leber) verwendet werden, auch in Abwesenheit von Laborwertveränderungen und Symptomen.
Die Therapie der akuten Abstoßung besteht in einer hochdosierten, intravenösen Kortisongabe (über drei Tage 500 mg Methylprednisolon). Gleichzeitig kann die bestehende Immunsuppression erhöhtund ggf. um weitere Medikamente ergänzt werden. Im Fall einer kortisonresistenten Abstoßung kann eine T-Zell-gerichtete Antikörpertherapie über 3–10 Tage erfolgen. Die Therapie der chronischen Abstoßung ist sehr viel schwieriger. Eine Umstellung und Intensivierung der Immunsuppression kann den Fortgang der Leberschädigung verlangsamen oder aufhalten. Oft ist ein Progress der Fibrose bis zur Zirrhose nicht aufzuhalten, und eine wiederholte Transplantation muss diskutiert werden.
Um die Abstoßungsreaktion zu vermeiden, ist es von hoher Wichtigkeit, dass die Nachsorge regelmäßig erfolgt, an einem spezialisierten Zentrum durchgeführt wird und im weiteren Verlauf individuell gestaltet wird. Die Basis stellt die immunsuppressive Therapie dar.
Um zu verhindern, dass das Spenderorgan abgestoßen wird, ist eine lebenslange, konsequente Einnahme der immunsuppressiven Therapie notwendig. Weiterhin das Vermeiden von Infektionen, eine bewusste Lebensweise mit ausgewogener Ernährung und Bewegung. Es kann ein Nachsorgetagebuch geführt werden, in welchem Temperatur, Blutdruck, Puls, Gewicht eingetragen werden, sodass auftretende Veränderungen bemerkt werden.
Im Verlauf nach der Lebertransplantation werden die Nachsorgeintervalle größer und so ist es entscheidend, dass der Patienten selbst die Anzeichen und Alarmsignale des eigenen Körpers und einer möglichen Abstoßung wahrnimmt und als solche erkennt. Bei zunehmendem Schwächegefühl, Appetitlosigkeit, Fieber, Bauchschmerzen, lehmfarbenem Stuhl und dunklem Urin oder Rückgang der Ausscheidung sowie Gelbfärbung von Haut und Augen sollte das behandelnde Zentrum oder ein heimatnahes Krankenhaus kontaktiert werden.
Lebertransplantierte Deutschland e.V.
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