Das Geschenk des Lebens

Es war das Jahr 1988. Die Diagnose, die ich mit 26 Jahren erhielt stoppte mein gesamtes junges Leben:

„chronisch aggressive Autoimmunhepatitis mit zirrhotischem Umbau“

Eigentlich plante ich zu diesem Zeitpunkt , eine Familie mit mindestens 2 Kindern zu gründen. Aber nun kam alles anders…..
Stattdessen begann ein Weg, den ich mir bisher nie vorgestellt habe und auch nicht musste.
Es begannen viele und lange Krankenhausaufenthalte, eine Menge medizinischer Zwischenfälle, Untersuchungen. Aber vor allem Ängste und Sorgen.

Zu diesem Zeitpunkt war die Transplantationsmedizin mit dem Stand der heutigen Wissenschaft noch nicht zu vergleichen. 30 Jahre bedeuten in der Transplantationsmedizin Quantensprünge.

Was nun?

Das war für mich eine große Frage. Dank meines Umfeldes und meiner starken positiven Einstellung zum Leben konnte ich mir in jeder Hinsicht einen neuen Weg suchen.
Das mich betreuende Ärzteteam hat mir mitgeteilt, dass eine Transplantation zu diesem Zeitpunkt für mich eine Chance von 10:90 gegen mich bedeuten würde.
Nun galt es, Zeit zu gewinnen. Ich wurde unter anderem auf eine langjährige/langfristige Einnahme von Kortison (Prednisolon) eingestellt .

Meinem körperlichen und gesundheitlichem Empfinden geschuldet, habe ich meine berufliche Tätigkeit als Sozialversicherungsfachangestellt für 2 Jahre auf eine Teilzeitstelle reduzieren können. In dieser Zeit konnte ich mein Leben neu sortieren.
Allerdings war diese Zeit für eine junge Frau im Alter von 26 Jahren keine glückliche Zukunftsperspektive.
Aber diese berufliche kleine Auszeit habe ich nutzen können, um mir meine neuen Perspektiven zu schaffen und mich damit zu arrangieren, dass ich meinem Leben andere Prioritäten zu setzen habe. Nicht immer ist mir dieses leicht gefallen. War ich doch vor der Erkrankung ein extrem beweglicher, energiegeladener, ausgelassener und fröhlicher Mensch. 

Ebenso war ich in meinem ganzen Leben eine Sportlerin, die sich auch „quälen“ konnte. Von Kindesbeinen an war ich sportlich aktiv und habe mich auch schon immer im sportlichen Wettkampf gemessen. Ich konnte schon als junger Mensch über gewissen Grenzen gehen.
Ich denke, dass mir diese sportlichen Erfahrungen in der Bewältigung meiner Erkrankung sehr viel Stärke gebracht haben. Sowohl physisch als auch psychisch. Davon profitiere ich auch heute noch.

Im Laufe der Erkrankungsjahre habe ich mich auf dieses Leben gut eingestellt. Sehr schnell bekam ich das Bewusstsein für mich was mir schadet und was gut für mich ist. Allerdings habe ich natürlich auch viel eher meine Grenzen erreicht als vor der Erkrankung.

Im Jahre 1993 habe ich das Thema der Familiengründung endgültig abgeschlossen. Dieser Traum ist in den vorangegangenen Jahren aus gesundheitlichen Gründen immer weiter erloschen.
Ich war noch so jung und wollte im Rahmen meiner Möglichkeiten wenigstens was aus meinem Leben machen.

Mein Arbeitgeber stellte mir eine gute berufliche Laufbahn in Aussicht und bot mir an, mich bei einem betriebswirtschaftlichen Studium zu unterstützen. Dieses Angebot nahm ich nach reiflicher Überlegung an und so konnte ich trotz meiner Erkrankung und trotz einer eventuell auf mich zukommenden Transplantation mit viel Kämpferwillen ein „fast“ normales Leben führen.
Kurz vor Beendigung des Studium stellten sich plötzliche Oesophagus-Varizenblutungen ein, die wirklich in buchstäblicher letzter Sekunde behandelt werden konnten. Einen langen Krankenhausaufenthalt hatte das zur Folge, da die Verödung der Varizen eine aufwendige Behandlung war. Zu diesem Zeitpunkt zweifelte ich daran, dass ich das Studium jemals beenden kann. Aber es ist mir gelungen und ich habe das Studium zur Betriebswirtin mit gutem Erfolg abschließen können.

Bis zum Jahr 2000 war mein Leben mehr durch positive Dinge geprägt und ich habe immer versucht, die Krankheit nicht zu meinem Lebensmittelpunkt zu machen.
Ab dem Jahr 2000 hat sich mein Gesundheitszustand kontinuierlich verschlechtert. Ein typisches Erkrankungsbild der Autoimmunhepatitis ist, dass die Behandlung lange konstant gehalten werden kann und dann plötzlich und schnell einen schlechten Verlauf nimmt.

Das war bei mir der Fall und ab diesem Zeitpunkt wurde dann auch von der unvermeidbaren Lebertransplantation gesprochen.
Bei meiner Blutgruppe Rh 0 negativ ein schwieriges Unterfangen.

Bei einem Krankenhausbesuch meiner Schwester, die 17 Monate älter ist als ich, hat diese in der Zeitschrift „Lebenslinien“ des Vereins Lebertransplantierte Deutschland e.V. gelesen, dass mittlerweile ein Operationsverfahren einer Leber-Lebendspende praktiziert wird. Meine Schwester hat diesen Gedanken nie wieder verworfen. Im Gegenteil. Sie hat alles versucht und entsprechend veranlasst, dass wir über dieses Thema mehr erfahren.

Mein behandelnder Gastroenterologe schickte mich daruafhin in die Charite` Berlin, in der sehr schnell festgestellt wurde, dass die Transplantation keinen Aufschub mehr erlaubte. 
Nach Abwägung aller Vorteile und Nachteile, insbesondere für meine Lebensretterin meine Schwester, wurde der Transplantationstermin bereits für den nächsten Monat festgelegt und die Evaluation meiner Schwester für die kommenden Wochen terminiert. Es ging alles rasant schnell.

Am 28.01.2002 war es dann soweit. Die Transplantation wurde durchgeführt und die bangsten Stunden meines Lebens begannen, da meine Schwester in meiner Vorbereitungszeit zur Op bereits im Operationssaal lag und sich als gesunder Mensch für mich diesen Strapazen aussetzte und vielleicht sogar ihr Leben riskierte. Das war die schwerste Belastung in meinem bisherigen Leben.

Alles war gut überstanden und als meine Schwester und ich uns das erste Mal nach der Transplantation auf der Intensivstation sehen und berühren konnten brachen alle Dämme der Emotionen. Ein einmalige Gefühl, dass ich nie wieder im Leben vergessen werde.

Nun lebe ich schon gesund und glücklich mehr als 16 Jahre mit der von meiner Schwester geschenkten Leber und bin voller Demut für das selbstlose Handeln meiner Schwester. Hat sie mir doch bereits so viele schöne Jahre geschenkt mit Aussicht auf noch mehr………..

Susan Stracke

Kontakt

Lebertransplantierte Deutschland e.V.
Montag - Donnerstag 10:00 bis 15:00 Uhr 

Telefon: 02302/1798991
Fax: 02302/1798992

E-Mail: geschaeftsstelle(at)lebertransplantation.de

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